Der Makedonische König Philipp II. (382-336 v. Chr.) |
Sven Rausch
Institut für Klassische Altertumskunde
Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Die Bilder und die Textformatierungen
sind unsere Auswahl (Yauna),
und nicht im Text enthalten.
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50 Klassiker
GRIECHISCHE ANTIKE
Im Jahr 338 v. Chr. geschah etwas, das die Griechen für unvorstellbar gehalten hatten: In der Schlacht von Chaironeia besiegte Philipp II., König von Makedonien in Nordgriechenland, eine Armee aus Athen, Theben und anderen griechischen Stadtstaaten und errang mit diesem Sieg eine dauerhafte und unumstößliche Vorherrschaft über ganz Griechenland.
Es war ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung,
denn mit dieser Schlacht endete die Zeit der autonomen griechischen Stadtstaaten.
Zugleich war ein geeintes Griechenland die Voraussetzung für den gigantischen Eroberungszug, mit dem Alexander der Große (s. S. 210), der Sohn Philipps, das Reich der Perser besiegen und bis nach Indien vorstoßen sollte.
Ausgerechnet Makedonien!
Jahrhundertelang hatten Sparta, Athen, Theben und andere Stadtstaaten in zahllosen Kriegen vergeblich versucht, eine Hegemonie über ganz Griechenland zu erkämpfen.
Mit Makedonien hatte niemand gerechnet.
Und doch hätte man es voraussehen können, dass die Macht, die eine dauerhafte Vorherrschaft über Griechenland erringen sollte, aus dem Norden kommen würde.
Denn bereits seit gut achtzig Jahren vor der entscheidenden Schlacht von Chaironeia, seit dem Ende des 5. Jahrhunderts v.Chr.,
begann sich das politische und vor allem wirtschaftliche Gravitationszentrum der griechischen Welt nach Norden zu verlagern.
Zuvor, im 5. Jahrhundert, waren Athen und Sparta die politischen Zentren der griechischen Welt.
Wirtschaftlich ging der Blick tendenziell nach Westen, zu den griechischen Kolonien auf Sizilien, das von den Griechen des Mutterlandes als eine neue und vor allem reiche Welt wahrgenommen wurde, ähnlich wie Amerika in den Augen der Europäer im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.
Das kann man unter anderem daran erkennen, wohin sich die führenden Intellektuellen begaben.
Wie in allen Zeiten, so zog es sie auch im antiken Griechenland entweder in das kulturelle Zentrum ihrer Epoche (also für das 5. und 4. Jahrhundert Athen) oder aber an Orte, wo sie ein großzügiges Mäzenatentum, finanzielle Förderung und somit ausreichend Muße für ihre wissenschaftlichen oder künstlerischen Tätigkeiten erwarten durften.
Im 5. Jahrhundert lebten daher viele herausragende Künstler und Denker in Athen oder zogen ins reiche Sizilien - die berühmtesten Beispiele sind die Dichter Pindar und Aischylos (s.S. 92).
Seit etwa 410 v.Chr. zogen die Intellektuellen jedoch plötzlich in eine andere Richtung,
nicht mehr nach Westen,
sondern nach Norden.
Der Tragödienschriftsteller Euripides (s.S. 124), der Arzt Hippokrates (s. S. 146), der Maler Zeuxis und der Sophist Gorgias (s.S. 134),
um nur die bekanntesten zu nennen,
ließen sich in nordgriechischen Fürstentümern wie Thessalien oder Makedonien nieder.
Auch die Handelsströme veränderten sich an der Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert:
Während die griechischen Städte Getreide zuvor hauptsächlich aus Ägypten und Sizilien importiert hatten, wurden nun die nördliche Ägäisküste und der Schwarzmeerraum die wichtigsten Lieferanten. Bei Aristoteles (s.S. 194) findet sich eine Anmerkung, die das belegt:
Vor dem Jahr 400 v.Chr. seien noch keine großen Handelsschiffe von Griechenland aus nach Norden gefahren.
Der Norden Griechenlands erlebte also einen wirtschaftlichen Aufschwung, und da zudem im Norden, im Gegensatz zu den einzelnen Stadtstaaten in Mittel- und Südgriechenland, zusammenhängende Flächenstaaten existierten,
erwuchs dort aus der wirtschaftlichen Blüte mit der Zeit auch politische und militärische Macht, so dass das Entstehen einer politischen Großmacht in dieser Region fast unvermeidlich und nur eine Frage der Zeit war.
Ob jedoch Thessalien, Makedonien oder ein anderes Reich dieser Gegend sich zur machtpolitischen Hegemonie der erstarkenden Nordregion aufschwingen würde, war von Anfang an nicht ausgemacht.
Die Leistung Philipps besteht darin, dass er besser als alle anderen Könige und Fürsten des Nordens in der Lage war, den wirtschaftlichen Aufschwung und die reichlich vorhandenen Ressourcen dieser Region zu nutzen, um eine starke Berufsarmee aufzustellen, mit der er schließlich die Herrschaft über ganz Griechenland erringen konnte.
Doch die Bedeutung Philipps liegt nicht allein auf politischem und militärischem, sondern auch auf kulturellem Gebiet.
Er hatte nämlich erkannt, dass die beiden bisherigen griechischen Großmächte, Athen und Sparta, sich vor allem darin unterschieden, dass Sparta der militärische, Athen dagegen der kulturelle Mittelpunkt Griechenlands war.
Philipps Ehrgeiz war nun, sein Makedonien nicht nur zu einer starken Militärmacht, also zu einem neuen, besseren Sparta werden zu lassen, sondern zugleich auch zu einem Ort der Kultur.
Als klares Zeichen dafür berief er den berühmten Philosophen Aristoteles aus Athen an seinen Hof und ernannte ihn zum Erzieher seines Sohnes Alexander.
Aristoteles. |
Somit machte Philipp aus der bisherigen These Athen und der Antithese Sparta die Synthese Makedonien.
Das Ergebnis dieser Synthese aus militärischer Macht und Kultur zeigt sich, wenn man den Feldzug Alexanders mit dem der Mongolen Dschingis Khan und seines Sohnes Ögedei im 13. Jahrhundert vergleicht.
Was die Fläche der von ihnen eroberten Gebiete angeht, sind Alexander und Ögedei die erfolgreichsten Feldherren der Menschheitsgeschichte.
Doch Ögedeis Feldzug war ein reiner Plünderungszug: Die mongolische Kultur konnte er in den von ihm eroberten Territorien nicht verbreiten.
Anders Alexander: Natürlich machte auch er reiche Beute in den neu eroberten Gebieten, doch zudem verbreitete er dort, in Asien und Ägypten, die griechische Kultur.
Dies ist letztlich auch ein Verdienst seines Vaters Philipp, den man daher eigentlich ebenso wie seinen Sohn »den Großen« nennen sollte.
Die Köingskrone Philipps II.(?) Museum von Vergina Makedonia Griechenland. |
PHILIPP II. VON MAKEDONIEN
BIOGRAPHIE
Als Philipp um 382 v.Chr. geboren wurde, war Makedonien ein Vasallenstaat verschiedener Hegemonialmächte.
Die jeweils herrschende Macht bestand darauf, dass die wichtigsten makedonischen Fürsten ihnen ihre Kinder als Geiseln stellten, um sie auf diese Weise von Aufständen abzuhalten.
Daher verbrachte Philipp seine Jugend zunächst als Geisel in lllyrien (im Westen der Balkanhalbinsel) und später drei Jahre lang in Theben, das seit der Schlacht von Leuktra 371 v. Chr. die Vorherrschaft in Griechenland errungen hatte.
In Theben lernte Philipp viel über Strategie und Taktik der Kriegführung.
360 v.Chr. kehrte er nach Makedonien zurück und bestieg 359 v.Chr. als Philipp II. den Thron dieses Reiches. Als König unternahm Philipp zunächst mehrere Kriegszüge gegen die im Norden von Makedonien lebenden Illyrer, Thraker und Paionier.
Nachdem er sein Reich nach Norden hin gesichert hatte, begann er damit, seine Macht Schritt für Schritt auch in Richtung Süden auszudehnen.
Dabei erschien er nicht allen Griechen als Feind und Eroberer,
im Gegenteil:
Viele Griechen, die von den ständigen Kriegen genug hatten, sahen in Philipp den starken Mann, der Griechenland befrieden,
vereinen
und dann einen gemeinschaftlichen Zug
gegen den alten Erzfeind Persien anführen sollte.
Doch in Athen hatte Philipp mit Demosthenes einen leidenschaftlichen Gegner, der in zahlreichen »Reden gegen Philipp«, den berühmten Philippiken, nicht nur die Athener, sondern auch diverse andere Städte davon überzeugte, militärischen Widerstand gegen Philipp zu leisten.
So kam es 338 v. Chr. zur entscheidenden Schlacht bei Chaironeia (in Böotien, in der Nähe von Theben):
Philipp siegte und war somit der Herr über Griechenland.
Als Nächstes wollte er den lange geplanten Zug gegen Persien durchführen.
Doch bevor er damit beginnen konnte, wurde er im Jahr 336 v. Chr. ermordet. - Bereits in der Antike vermutete man, dass Philipps Ehefrau Olympias, die Mutter Alexanders, oder auch Alexander selbst Drahtzieher des Mordes an dem Herrscher gewesen sein könnten.
Denn Philipp hatte sich in eine jüngere Frau verliebt, sie geheiratet und seine frühere Frau Olympias ins Exil geschickt.
Auch Alexander musste zeitweilig Makedonien verlassen und befürchtete, von der Thronfolge ausgeschlossen zu werden.
Dies könnte ein Motiv gewesen sein, Philipp ermorden zu lassen, was indes nicht nachzuweisen war und ist.
Auf jeden Fall war Alexander der Nutznießer des Mordes an seinem Vater: Er wurde sogleich zum neuen König ausgerufen, und als solcher führte er, nicht Philipp, den Zug gegen die Perser an und ging als »Alexander der Große« in die Geschichte ein.
Lesenswert:
Diodoros von Sizilien: Griechische Weltgeschichte, Bd. 16, hrsg., kommentiert und mit einem Vorwort von Thomas Frigo, übersetzt von Otto Veh, Stuttgart 2007
Gerhard Wirth: Philipp II., Stuttgart 1985
Miltiades B. Chatzopulos (Hg.): Ein Königreich für Alexander. Philipp von Makedonien, sein Leben, sein Werk und die erregende Entdeckung seines Grabschatzes in Vergina, Bergisch Gladbach 1982
Johannes Engels: Philipp II. und Alexander der Große, Darmstadt 2006
Hermann Bengtson: Philipp und Alexander der Große. Die Begründer der hellenistischen Welt, München 1997
Nicholas Guild: Der Makedonier, Bergisch Gladbach 1997 (historischer Roman über Philipp II.)
Don Harrison: Der Spartaner, Frankfurt/M. 1990 (Roman über Griechenland im 4. Jh.)
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