Die ethnographische Karte von Synvet (1877).Völker Tafel : Griechen, Greco-Bulgaren, Serbo-Croaten, Bulgaren, Moslems, Rumanen, Albaner |
Von
Prof. Dr.
Eugen Oberhummer.
Eugen Oberhummer.
Vortrag,
gehalten den 14. März 1917.
Die Bilder und die Text-Formatierungen
sind unsere Auswahl (Yauna),
und nicht im Text enthalten
Der ganze Vortrag (klick hier).
Über die Völker der Balkanhalbinsel ist in unserer Zeit so vieles gesprochen und geschrieben worden, daß es als ein Wagnis erscheint, in dem engen Rahmen eines Vortrages die Fülle von Fragen zu erörtern, die sich an diesen Gegenstand knüpfen. Es kann sich hiebei nur um einen Versuch handeln, in Umrissen den Stand der Forschung zu kennzeichnen und durch Hinweise auf die einschlägige Literatur dem Fernerstehenden den Weg zu eingehenderen Studien zu weisen.
Die Rücksicht auf den Raum verbietet mir hier auch eine nähere Erörterung des Zusammenhanges von Lage und Bau der Halbinsel mit der bunten Mischung ihrer Völkerschaften, wie sie von anderen Seiten mehrfach gegeben wurde.
Nur auf die bedeutsame Zwischenstellung und die dadurch erleichterte Berührung europäischer und asiatischer Völkerkreise sei im allgemeinen hingewiesen. Islamisch-orientalische Kultur hat hier durch das Türkentum ebenso eine Brücke nach Europa gefunden wie früher durch die Araber in Spanien und Sizilien. Im allgemeinen geht aber die Völkerbewegung den umgekehrten Weg aus dem Rumpf Europas in die südlichen Halbinseln hinein und in unserem Falle darüber hinaus nach der Landbrücke von Kleinasien.
Das gilt vor allem für die Wanderung der Indogermanen. Nur für die älteste, vorindogermanische Zeit müssen wir auch für Südosteuropa einen Völkerzusammenhang mit Westasien annehmen wie für Spanien und Südwestitalien mit Nordafrika.
Ich glaube, mit diesen Worten schon den ' vorgezeichneten Weg unserer Betrachtung angedeutet zu haben. Eine bloße Aufzählung und kurze Charakteristik der heute die Balkanhalbinsel bewohnenden Völker wie sie. in geographischen Handbüchern gegeben zu werden pflegt, würde uns dem Verständnis dieses Völkermosaiks nicht viel näher bringen. Sowohl die körperliche Erscheinung wie die geistige Veranlagung der hier zusammengewürfelten Völker sind nur aus ihrem mehrtausendjährigen Werdegang zu verstehen. Die historischen Grundlagen dafür sind heute bereits einigermaßen gegeben, aber für die anthropologischen Voraussetzungen stehen wir noch in den Anfängen und erst die nach dem Weltkrieg hoffentlich ein tretenden geordneten politischen Verhältnisse können uns in planmäßiger Arbeit das nötige Material liefern. So denke ich denn meine Betrachtung nach den folgenden Gesichtspunkten zu gliedern:
I. Die historischen Grundlagen.
Mit Ausnahme der erst spät eingedrungenen Türken gehören alle Völker der Balkanhalbinsel ihrer Sprache nach dem indogermanischen Kreise an. Aus diesem treten im Altertum drei sprachlich und räumlich gesonderte Bestandteile hervor: der griechische im Süden, der illyrische im Nordwesten und der thrakische im Nordosten der Halbinsel. Dazu kommt später das romanische und das slawische Element. Von diesen indogermanischen Völkern ist das griechische nach seinen Denkmälern und der Überlieferung das älteste. Aber auch ihm ging eine noch ältere Bevölkerungsschicht voraus, die wir als vorindogermanisch oder prähistorisch1) bezeichnen können.
1. Die vorindogermanische Bevölkerung.
Obwohl den Griechen selbst das Bewußtsein ihrer Einwanderung von Norden her verloren gegangen war, hat sich bei ihnen doch die Sage von einer älteren Bevölkerung entwickelt, von der sich da und dort noch in historischer Zeit Reste erhielten. Gewöhnlich wird diese Urbevölkerung mit dem Namen Pelasger bezeichnet; aber auch andere vorgriechische Völker wie Ivarer und Leleger werden genannt.
Über die Pelasger sind in neuerer Zeit die verschiedensten Vermutungen geäußert worden, bis Eduard Meyer in überzeugender Weise darlegte, daß der Name eines in Thessalien heimischen, wahrscheinlich vorgriechischen Stammes zu Unrecht für eine ganze Kulturperiode verallgemeinert wurde.
Der Name der Karer haftet hauptsächlich an den Inseln und Küsten des südlichen Ägäischen Meeres und weist deutlich auf ein Urvolk des südwestlichen Kleinasien.
Dort wohnte eine Reihe von Völkern (Karer, Lyder, Lykier, Kiliker, Kappado- ker usw.), die nach den Untersuchungen von P. Kretschmer u. a. weder dem indogermanischen noch dem semitischen Sprachstamm, denen man sie früher abwechselnd zuweisen wollte, ängehörten, sondern ein Volkstum sui generis bildeten, wahrscheinlich verwandt mit der sprachlich gleichfalls völlig isolierten kaukasischen Völkergruppe im Osten und vielleicht auch mit den Tyrrhenern oder Etruskern im Westen. Daß diese „kleinasiatische“ Bevölkerung in ältester Zeit auch über die Inseln des Archipels und den Süden der Balkanhalbinsel verbreitet war, kann heute als sicher angenommen werden.
'Ihre sprachliche Verschiedenheit von den Griechen wird von den Alten mehrfach bezeugt, so von Homer Od. 19, 175 für Kreta (dort ist Sprache mit Sprache gemischt) und von Herodot I 57 für die Pelasger.
Beste solcher vorgriechischer Sprachen sind in neuerer Zeit zum Vorschein gekommen in einer etruskisch anklingenden Inschrift von Lemnos,
1) in der noch unentzifferten Bilderschrift von Kreta und Inschriften aus dem Osten der Insel in griechischer Schrift, aber ungriechischer Sprache,
2) sowie neuerdings auch in einigen epichorischen Inschriften Zyperns.
3) Ein weiteres Material liegt uns vor in zahlreichen altgriechischen Ortsnamen, die jeder indogermanischen Abstammung spotten und den einwandernden Griechen von der älteren Bevölkerung überkommen sein müssen, ebenso wie z. B. keltische Fluß- und Ortsnamen im westlichen und südlichen Deutschland sich bis heute erhalten haben.
Hiezu gehören durch besondere Lautverbindungen gekennzeichnete Gruppen wie die Namen auf —assos und —essos (attisch —ettos), so die Bergnamen Parnassos, Hymettos, Brilettos, Lykabettos, Ortsnamen wie Teu- messos, Sphettos, Gargettos, Koressos, in Kleinasien Iassos, Halikarnassos, vielleicht auch die Flüsse Ilissos, Kephissos, minder sicher thrakische Namen wie Odessos (dem das moderne Odessa nachgebildet ist), Nai'ssos (Nisch) usw.
Eine weitere Reihe bilden die zahlreichen Ortsnamen, deren Stamm auf —νϋ, in Kleinasien —nd endigt, so Tiryns (Gen. Tirynthos), Korinthos, Kerinthos, Labyrinthos, die Berge Erymanthos, Arakynthos, Kynthos, die Inseln Zakynthos, Lebinthos, Prepesinthos, im Norden Ölynthos und Perinthos (am Marmarameer), in Kleinasien, besonders Karien, mit Lautwandel Alabanda, Alinda, Karyanda, Kalynda usw.
Der Verbindung nd möchte ich auch die Bildungen mit mp, in neugriechischer Aussprache mb zur Seite stellen, wie den über ganz Griechenland und Kleinasien verbreiteten Bergnamen Olympos, der sicher vorgriechisch ist, wohl auch Alampria auf Zypern u. a.
Wenn uns diese hier in Proben mitgeteilten Namenreihen nur vereinzelt auch nach dem nördlichen Teil der Balkanhalbinsel führen, so liegt das teils an dem hier viel spärlicheren Material, teils an der Tatsache, daß wir von der illyrischen und thrakischen Sprache zu wenig wissen, um die daraus gebildeten Namen von einer älteren Schicht sicher scheiden zu können.
Doch ist wenigstens für Thrakien eine der kleinasiatischen verwandte Urbevölkerung sehr wahrscheinlich Reiches Material über die Vorzeit der Balkanhalbinsel hat uns seit Schliemanns Ausgrabungen die archäologische Forschung gebracht.
Sie hat uns in der mykenischen Kultur des zweiten Jahrtausends v. Chr. eine neue Welt erschlossen und der homerischen Dichtung einen greifbaren Hintergrund gegeben; die „trojanische“ Kultur führt uns in das dritte Jahrtausend, die Funde auf Kreta bis in das vierte zurück.
Noch weiter reichen die Funde der eigentlichen Steinzeit hinauf. Aber wir lernen daraus nur Kulturstufen kennen und gewinnen keinen Anhalt für die Rasse und die ethnographische Zugehörigkeit ihrer Bewohner.
Es läßt sich nur so viel sagen, daß vor der Einwanderung der Indogermanen die Halbinsel wie auch die zugehörigen Inseln schon von einer anders gearteten Bevölkerung bewohnt war, die wenigstens im Süden deutliche Beziehungen zu Kleinasien aufweist und durch Mischung noch im Blut der heutigen Bevölkerung fortlebt.
Sie sind das älteste indogermanische Volk, das den Südrand Europas erreicht und das Meer überschritten hat.
Ihre Einwanderung dürfen wir mit Ed. Meyer etwa 2500—2000 v. Chr. ansetzen; doch dauerte die Wanderbewegung der einzelnen Stämme mindestens ein Jahrtausend an, wie das Vordringen der Dorier in den Peloponnes und die Besiedelung der Westküste Kleinasiens gegen Ende des zweiten Jahrtausends zeigt.
Um das Jahr 1000 war im wesentlichen die noch heute bestehende Verbreitung des Griechentums rings um das Ägäische Meer erreicht.
Der Wandertrieb machte sich nochmals geltend in der Kolonisation des VIII. und ΙΙ. Jahrhunderts v. Chr.
Ein neues Gebiet griechischen Volkstums erstand in Unteritalien („Großgriechenland“) und Sizilien, erlag aber dort im Mittelalter dem Romanismus.
Dagegen hat die Kolonisation der Nordküste des Ägäischen Meeres (Halbinsel Chalkidike), des Marmarameeres und der Meerengen (Byzantion!), endlich der Westküste des Schwarzen Meeres den Grund gelegt zu der heute noch dort ansässigen griechischen Bevölkerung.
In der älteren Zeit waren die griechischen Stämme nach Sprache, Sitte und Überlieferungen noch scharf geschieden.
Mit der überragenden Stellung Athens in Kunst und Literatur
seit der perikleischen Zeit treten die Dialekte zunächst im Schrifttum mehr und mehr zurück,
um in der Kaiserzeit allmählich ganz zu erlöschen.
An ihre Stelle trat etwa seit Alexander d. Gr. die sogenannte κοινή oder gemeingriechische Schriftsprache,
welche die Grundlage der späteren Sprachentwicklung geworden ist.
Ihre Lebensfähigkeit hat sie auch unter römischer Herrschaft bewahrt.
Die Wellen des im westlichen Mittelmeergebiet überall durchdringenden Romanismus brachen sich an dem geistig überlegenen Griechentum.
Letzteres gewann sogar neuen Boden im Binnenland von Mazedonien und Thrakien.
Mazedonien war von Haus aus von einer den Griechen nahe verwandten Bevölkerung bewohnt, die aber erst in hellenistischer Zeit im Griechentum aufging.
Als Alexander I. (498—454) in Olympia auftrat, wo uns zuerst der Pulsschlag eines gemeingriechischen Nationalgefühls entgegentritt und die Behörde der Hellanodiken die Grenze zwischen Griechen und Barbaren zog, da wurde er nicht als Mazedonier, sondern auf Grund seiner sagenhaften Abkunft von dem heraklidischen Königshaus zu Argos zugelassen (Her. V 22, VIII 137).
Alexander d. Gr. fühlte sich ganz als Hellene, aber in seinem Heer unterschieden sich die Mazedonier durch die Sprache von den Griechen.
In den Randgebieten Mazedoniens wohnten überdies illyrische und thrakische Stämme. Man hat auf Grund der dürftigen Sprachreste versucht, das Mazedonische als eine griechische Mundart nachzuweisen. Da über die Verwandtschaft kein Zweifel besteht, ist das schließlich Sache der Auffassung.
Jedenfalls war das Gefühl der Gemeinschaft in der älteren Zeit nicht vorhanden und ist erst durch die griechische Politik des Königshauses angebahnt worden.
Viel später und langsamer drang das Griechentum, abgesehen von den griechischen Pflanzstädten, in Thrakien durch.
Hier war ein anderes Volkstum, dessen Spuren wir bis in das VI. Jahrhundert n. Chr. verfolgen können (s. u.).
Ein mächtiger Träger griechischer Sprache und Kultur war hier wie in Mazedonien und ganz besonders in Kleinasien das Christentum.
Es hat im Osten die Verbreitung der allein im Gottesdienst gebrauchten griechischen Sprache ebenso gefördert wie im Westen die des Lateinischen.
Dazu kam der überragende Einfluß von Konstantinopel, das als östliche Reichshauptstadt nunmehr der Schwerpunkt der griechischen Kultur wurde.
Von dort strahlte griechischer Einfluß aus über' die ganze Halbinsel, blieb aber herrschend nur südlich des Balkans und einer Linie von dort über Pirot, Skopje (Üsküb) und das Schar-Gebirge nach Alessio am Adriatischen Meer.
Nördlich davon herrschte römische Sprache und Kultur, mit Ausnahme der Küstenstädte am Schwarzen Meer, deren Mittelpunkt das aus Ovids Klageliedern bekannte Tomi, das heutige Konstanza,
Selbst am Hauptsitz des byzantinischen Griechentums, in Konstantinopel, hat sich das Lateinische als Hofsprache noch lange erhalten.
Justinian I. brachte aus seiner Heimat Tauresium bei Scopi
das Lateinische als Muttersprache
mit und hat sein auf den römischen Juristen fußendes Gesetzgebungswerk
in dieser Sprache ausführen lassen.
Erst mit Kaiser Basileios I. (867— 886), nach dem das griechische Gesetzgebungswerk der „Basiliken“ benannt ist,
verschwinden die letzten Reste der lateinischen Kanzleisprache,
wie umgekehrt das Griechische in Sizilien noch unter den normannischen Königen Kanzleisprache war.
Eine größere Gefahr als aus dem römischen Einfluss erwuchs dem Griechischen auf der Balkanhalbinsel durch das Vordringen der Slawen seit dem sechsten Jahrhundert.
Der größte Teil von Mazedonien und ein erheblicher von Thrakien ging damals dem Griechentum verloren und auch das alte Hellas wurde von slawischen Stämmen überflutet.
Daraufhin hat um 1830 Jak. Phil. Fallmerayer seine nach dem Philhellenismus des griechischen Befreiungskampfes doppeltes Aufsehen erregende Behauptung gegründet,
das griechische Volkstum sei wenigstens auf dem Festland völlig ausgerottet und erst durch Kolonisierung von Byzanz aus und durch Zuzug von den Inseln die griechische Sprache wieder in Hellas verbreitet worden.
1) Diese Ansicht ist seither längst widerlegt, wenn auch zugegeben werden muß, daß das griechische Volkstum eine slawische Beimischung erfahren hat.
Slawische Ortsnamen, die jetzt meist wieder, und oft ziemlich willkürlich, durch antike amtlich ersetzt worden sind, und eine Anzahl slawischer Lehnwörter im Neugriechischen geben davon Zeugnis.
2) Die Sprache hat natürlich seit dem Altertum große Veränderungen erlitten, ist aber in organischer Entwicklnng aus dem Altgriechischen hervorgegangen und steht diesem näher als z. B. das Italienische dem Lateinischen.
Das gilt nicht nur von der Schriftsprache, wo man sich bemüht hat, die Formen und den Wortschatz der klassischen Sprache künstlich fortzupflanzen, sondern auch von der dem klassisch Gebildeten zunächst fast unverständlichen Volkssprache.
Bei einiger Kenntnis der letzteren wird man aber oft überrascht sein,
darin uraltes Sprachgut zu finden,
selbst Formen,
die in der Schriftsprache längst verschollen,
im Munde des Volkes aber lebendig geblieben sind.
Der oft und nicht immer gerecht geschilderte Charakter der Griechen ist, wie bei den meisten Völkern, aus guten und minder erfreulichen Eigenschaften gemischt.
Vielfach finden wir darin Züge, die an die klassische, ja homerische Zeit erinnern, wie ja auch die Schilderung Cäsars von den Galliern und des Tacitus von den Germanen wesentliche Charakterzüge der heutigen Franzosen und Deutschen trifft.
Zu den besten Eigenschaften möchte ich
die geistige Regsamkeit und den
großen Bildungsdrang des Volkes sowie seine
unbegrenzte Vaterlandsliebe rechnen,
die sich in einer großartigen Opferwilligkeit
der im Ausland reich gewordenen Griechen für das Gemeinwohl äußert.
Das Interesse an öffentlichen Dingen steigert sich aber auch zu einem allen Klassen gemeinsamen Hang zum Politisieren, der stark demokratische Zug des Volkes oft zum Widerstand gegen eine vernünftige staatliche Ordnung, die Geschäftsklugkeit nicht selten zur Unzuverlässigkeit und Neigung zum Über vorteilen, der Ehrgeiz zur persönlichen Eitelkeit. Gegenüber dem Zustand wirtschaftlicher und moralischer Verwilderung zur Zeit des Freiheitskampfes hat der Charakter des Volkes sich seither auch in ethischer Beziehung zweifellos gehoben.
Material zur mazedonischen Frage findet man auch in dem vom „Carnegie Endowment for International Peace“ herausgegebenen „Report of the International Commission to Inquire into the Causes and Conduct of the Balkan Wars“ (Washington 1914) mit zwei farbigen ethnographischen Karten von Mazedouien nach Kantschoff und Cvijic (bulgarischer und serbischer Standpunkt) eine Kartenskizze der mazedonischen Dialekte nach „A. Belits“, wo Bulgarien bis zum Isker mit Sofia zum serbischen Sprachgebiet gezogen erscheint!
Die Rücksicht auf den Raum verbietet mir hier auch eine nähere Erörterung des Zusammenhanges von Lage und Bau der Halbinsel mit der bunten Mischung ihrer Völkerschaften, wie sie von anderen Seiten mehrfach gegeben wurde.
Nur auf die bedeutsame Zwischenstellung und die dadurch erleichterte Berührung europäischer und asiatischer Völkerkreise sei im allgemeinen hingewiesen. Islamisch-orientalische Kultur hat hier durch das Türkentum ebenso eine Brücke nach Europa gefunden wie früher durch die Araber in Spanien und Sizilien. Im allgemeinen geht aber die Völkerbewegung den umgekehrten Weg aus dem Rumpf Europas in die südlichen Halbinseln hinein und in unserem Falle darüber hinaus nach der Landbrücke von Kleinasien.
Das gilt vor allem für die Wanderung der Indogermanen. Nur für die älteste, vorindogermanische Zeit müssen wir auch für Südosteuropa einen Völkerzusammenhang mit Westasien annehmen wie für Spanien und Südwestitalien mit Nordafrika.
Ich glaube, mit diesen Worten schon den ' vorgezeichneten Weg unserer Betrachtung angedeutet zu haben. Eine bloße Aufzählung und kurze Charakteristik der heute die Balkanhalbinsel bewohnenden Völker wie sie. in geographischen Handbüchern gegeben zu werden pflegt, würde uns dem Verständnis dieses Völkermosaiks nicht viel näher bringen. Sowohl die körperliche Erscheinung wie die geistige Veranlagung der hier zusammengewürfelten Völker sind nur aus ihrem mehrtausendjährigen Werdegang zu verstehen. Die historischen Grundlagen dafür sind heute bereits einigermaßen gegeben, aber für die anthropologischen Voraussetzungen stehen wir noch in den Anfängen und erst die nach dem Weltkrieg hoffentlich ein tretenden geordneten politischen Verhältnisse können uns in planmäßiger Arbeit das nötige Material liefern. So denke ich denn meine Betrachtung nach den folgenden Gesichtspunkten zu gliedern:
1. Die historischen Grundlagen,
2. der heutige Bestand,
3. die Rassenfrage.
I. Die historischen Grundlagen.
Mit Ausnahme der erst spät eingedrungenen Türken gehören alle Völker der Balkanhalbinsel ihrer Sprache nach dem indogermanischen Kreise an. Aus diesem treten im Altertum drei sprachlich und räumlich gesonderte Bestandteile hervor: der griechische im Süden, der illyrische im Nordwesten und der thrakische im Nordosten der Halbinsel. Dazu kommt später das romanische und das slawische Element. Von diesen indogermanischen Völkern ist das griechische nach seinen Denkmälern und der Überlieferung das älteste. Aber auch ihm ging eine noch ältere Bevölkerungsschicht voraus, die wir als vorindogermanisch oder prähistorisch1) bezeichnen können.
1. Die vorindogermanische Bevölkerung.
Obwohl den Griechen selbst das Bewußtsein ihrer Einwanderung von Norden her verloren gegangen war, hat sich bei ihnen doch die Sage von einer älteren Bevölkerung entwickelt, von der sich da und dort noch in historischer Zeit Reste erhielten. Gewöhnlich wird diese Urbevölkerung mit dem Namen Pelasger bezeichnet; aber auch andere vorgriechische Völker wie Ivarer und Leleger werden genannt.
Über die Pelasger sind in neuerer Zeit die verschiedensten Vermutungen geäußert worden, bis Eduard Meyer in überzeugender Weise darlegte, daß der Name eines in Thessalien heimischen, wahrscheinlich vorgriechischen Stammes zu Unrecht für eine ganze Kulturperiode verallgemeinert wurde.
Der Name der Karer haftet hauptsächlich an den Inseln und Küsten des südlichen Ägäischen Meeres und weist deutlich auf ein Urvolk des südwestlichen Kleinasien.
Dort wohnte eine Reihe von Völkern (Karer, Lyder, Lykier, Kiliker, Kappado- ker usw.), die nach den Untersuchungen von P. Kretschmer u. a. weder dem indogermanischen noch dem semitischen Sprachstamm, denen man sie früher abwechselnd zuweisen wollte, ängehörten, sondern ein Volkstum sui generis bildeten, wahrscheinlich verwandt mit der sprachlich gleichfalls völlig isolierten kaukasischen Völkergruppe im Osten und vielleicht auch mit den Tyrrhenern oder Etruskern im Westen. Daß diese „kleinasiatische“ Bevölkerung in ältester Zeit auch über die Inseln des Archipels und den Süden der Balkanhalbinsel verbreitet war, kann heute als sicher angenommen werden.
'Ihre sprachliche Verschiedenheit von den Griechen wird von den Alten mehrfach bezeugt, so von Homer Od. 19, 175 für Kreta (dort ist Sprache mit Sprache gemischt) und von Herodot I 57 für die Pelasger.
Beste solcher vorgriechischer Sprachen sind in neuerer Zeit zum Vorschein gekommen in einer etruskisch anklingenden Inschrift von Lemnos,
1) in der noch unentzifferten Bilderschrift von Kreta und Inschriften aus dem Osten der Insel in griechischer Schrift, aber ungriechischer Sprache,
2) sowie neuerdings auch in einigen epichorischen Inschriften Zyperns.
3) Ein weiteres Material liegt uns vor in zahlreichen altgriechischen Ortsnamen, die jeder indogermanischen Abstammung spotten und den einwandernden Griechen von der älteren Bevölkerung überkommen sein müssen, ebenso wie z. B. keltische Fluß- und Ortsnamen im westlichen und südlichen Deutschland sich bis heute erhalten haben.
Hiezu gehören durch besondere Lautverbindungen gekennzeichnete Gruppen wie die Namen auf —assos und —essos (attisch —ettos), so die Bergnamen Parnassos, Hymettos, Brilettos, Lykabettos, Ortsnamen wie Teu- messos, Sphettos, Gargettos, Koressos, in Kleinasien Iassos, Halikarnassos, vielleicht auch die Flüsse Ilissos, Kephissos, minder sicher thrakische Namen wie Odessos (dem das moderne Odessa nachgebildet ist), Nai'ssos (Nisch) usw.
Eine weitere Reihe bilden die zahlreichen Ortsnamen, deren Stamm auf —νϋ, in Kleinasien —nd endigt, so Tiryns (Gen. Tirynthos), Korinthos, Kerinthos, Labyrinthos, die Berge Erymanthos, Arakynthos, Kynthos, die Inseln Zakynthos, Lebinthos, Prepesinthos, im Norden Ölynthos und Perinthos (am Marmarameer), in Kleinasien, besonders Karien, mit Lautwandel Alabanda, Alinda, Karyanda, Kalynda usw.
Der Verbindung nd möchte ich auch die Bildungen mit mp, in neugriechischer Aussprache mb zur Seite stellen, wie den über ganz Griechenland und Kleinasien verbreiteten Bergnamen Olympos, der sicher vorgriechisch ist, wohl auch Alampria auf Zypern u. a.
Wenn uns diese hier in Proben mitgeteilten Namenreihen nur vereinzelt auch nach dem nördlichen Teil der Balkanhalbinsel führen, so liegt das teils an dem hier viel spärlicheren Material, teils an der Tatsache, daß wir von der illyrischen und thrakischen Sprache zu wenig wissen, um die daraus gebildeten Namen von einer älteren Schicht sicher scheiden zu können.
Doch ist wenigstens für Thrakien eine der kleinasiatischen verwandte Urbevölkerung sehr wahrscheinlich Reiches Material über die Vorzeit der Balkanhalbinsel hat uns seit Schliemanns Ausgrabungen die archäologische Forschung gebracht.
Sie hat uns in der mykenischen Kultur des zweiten Jahrtausends v. Chr. eine neue Welt erschlossen und der homerischen Dichtung einen greifbaren Hintergrund gegeben; die „trojanische“ Kultur führt uns in das dritte Jahrtausend, die Funde auf Kreta bis in das vierte zurück.
Noch weiter reichen die Funde der eigentlichen Steinzeit hinauf. Aber wir lernen daraus nur Kulturstufen kennen und gewinnen keinen Anhalt für die Rasse und die ethnographische Zugehörigkeit ihrer Bewohner.
Es läßt sich nur so viel sagen, daß vor der Einwanderung der Indogermanen die Halbinsel wie auch die zugehörigen Inseln schon von einer anders gearteten Bevölkerung bewohnt war, die wenigstens im Süden deutliche Beziehungen zu Kleinasien aufweist und durch Mischung noch im Blut der heutigen Bevölkerung fortlebt.
Die Griechen.
Sie sind das älteste indogermanische Volk, das den Südrand Europas erreicht und das Meer überschritten hat.
Ihre Einwanderung dürfen wir mit Ed. Meyer etwa 2500—2000 v. Chr. ansetzen; doch dauerte die Wanderbewegung der einzelnen Stämme mindestens ein Jahrtausend an, wie das Vordringen der Dorier in den Peloponnes und die Besiedelung der Westküste Kleinasiens gegen Ende des zweiten Jahrtausends zeigt.
Um das Jahr 1000 war im wesentlichen die noch heute bestehende Verbreitung des Griechentums rings um das Ägäische Meer erreicht.
Der Wandertrieb machte sich nochmals geltend in der Kolonisation des VIII. und ΙΙ. Jahrhunderts v. Chr.
Ein neues Gebiet griechischen Volkstums erstand in Unteritalien („Großgriechenland“) und Sizilien, erlag aber dort im Mittelalter dem Romanismus.
Dagegen hat die Kolonisation der Nordküste des Ägäischen Meeres (Halbinsel Chalkidike), des Marmarameeres und der Meerengen (Byzantion!), endlich der Westküste des Schwarzen Meeres den Grund gelegt zu der heute noch dort ansässigen griechischen Bevölkerung.
In der älteren Zeit waren die griechischen Stämme nach Sprache, Sitte und Überlieferungen noch scharf geschieden.
Perikles |
Alexander der Große |
Mit der überragenden Stellung Athens in Kunst und Literatur
seit der perikleischen Zeit treten die Dialekte zunächst im Schrifttum mehr und mehr zurück,
um in der Kaiserzeit allmählich ganz zu erlöschen.
An ihre Stelle trat etwa seit Alexander d. Gr. die sogenannte κοινή oder gemeingriechische Schriftsprache,
welche die Grundlage der späteren Sprachentwicklung geworden ist.
Ihre Lebensfähigkeit hat sie auch unter römischer Herrschaft bewahrt.
Die Wellen des im westlichen Mittelmeergebiet überall durchdringenden Romanismus brachen sich an dem geistig überlegenen Griechentum.
Letzteres gewann sogar neuen Boden im Binnenland von Mazedonien und Thrakien.
Alexander der Erste. |
Als Alexander I. (498—454) in Olympia auftrat, wo uns zuerst der Pulsschlag eines gemeingriechischen Nationalgefühls entgegentritt und die Behörde der Hellanodiken die Grenze zwischen Griechen und Barbaren zog, da wurde er nicht als Mazedonier, sondern auf Grund seiner sagenhaften Abkunft von dem heraklidischen Königshaus zu Argos zugelassen (Her. V 22, VIII 137).
Alexander d. Gr. fühlte sich ganz als Hellene, aber in seinem Heer unterschieden sich die Mazedonier durch die Sprache von den Griechen.
In den Randgebieten Mazedoniens wohnten überdies illyrische und thrakische Stämme. Man hat auf Grund der dürftigen Sprachreste versucht, das Mazedonische als eine griechische Mundart nachzuweisen. Da über die Verwandtschaft kein Zweifel besteht, ist das schließlich Sache der Auffassung.
Jedenfalls war das Gefühl der Gemeinschaft in der älteren Zeit nicht vorhanden und ist erst durch die griechische Politik des Königshauses angebahnt worden.
Viel später und langsamer drang das Griechentum, abgesehen von den griechischen Pflanzstädten, in Thrakien durch.
Hier war ein anderes Volkstum, dessen Spuren wir bis in das VI. Jahrhundert n. Chr. verfolgen können (s. u.).
Ein mächtiger Träger griechischer Sprache und Kultur war hier wie in Mazedonien und ganz besonders in Kleinasien das Christentum.
Es hat im Osten die Verbreitung der allein im Gottesdienst gebrauchten griechischen Sprache ebenso gefördert wie im Westen die des Lateinischen.
Dazu kam der überragende Einfluß von Konstantinopel, das als östliche Reichshauptstadt nunmehr der Schwerpunkt der griechischen Kultur wurde.
Von dort strahlte griechischer Einfluß aus über' die ganze Halbinsel, blieb aber herrschend nur südlich des Balkans und einer Linie von dort über Pirot, Skopje (Üsküb) und das Schar-Gebirge nach Alessio am Adriatischen Meer.
Nördlich davon herrschte römische Sprache und Kultur, mit Ausnahme der Küstenstädte am Schwarzen Meer, deren Mittelpunkt das aus Ovids Klageliedern bekannte Tomi, das heutige Konstanza,
Kaiser Justinian I |
Justinian I. brachte aus seiner Heimat Tauresium bei Scopi
das Lateinische als Muttersprache
mit und hat sein auf den römischen Juristen fußendes Gesetzgebungswerk
in dieser Sprache ausführen lassen.
Erst mit Kaiser Basileios I. (867— 886), nach dem das griechische Gesetzgebungswerk der „Basiliken“ benannt ist,
Basileios I. der Makedonier |
wie umgekehrt das Griechische in Sizilien noch unter den normannischen Königen Kanzleisprache war.
Eine größere Gefahr als aus dem römischen Einfluss erwuchs dem Griechischen auf der Balkanhalbinsel durch das Vordringen der Slawen seit dem sechsten Jahrhundert.
Der größte Teil von Mazedonien und ein erheblicher von Thrakien ging damals dem Griechentum verloren und auch das alte Hellas wurde von slawischen Stämmen überflutet.
Daraufhin hat um 1830 Jak. Phil. Fallmerayer seine nach dem Philhellenismus des griechischen Befreiungskampfes doppeltes Aufsehen erregende Behauptung gegründet,
das griechische Volkstum sei wenigstens auf dem Festland völlig ausgerottet und erst durch Kolonisierung von Byzanz aus und durch Zuzug von den Inseln die griechische Sprache wieder in Hellas verbreitet worden.
1) Diese Ansicht ist seither längst widerlegt, wenn auch zugegeben werden muß, daß das griechische Volkstum eine slawische Beimischung erfahren hat.
Slawische Ortsnamen, die jetzt meist wieder, und oft ziemlich willkürlich, durch antike amtlich ersetzt worden sind, und eine Anzahl slawischer Lehnwörter im Neugriechischen geben davon Zeugnis.
2) Die Sprache hat natürlich seit dem Altertum große Veränderungen erlitten, ist aber in organischer Entwicklnng aus dem Altgriechischen hervorgegangen und steht diesem näher als z. B. das Italienische dem Lateinischen.
Das gilt nicht nur von der Schriftsprache, wo man sich bemüht hat, die Formen und den Wortschatz der klassischen Sprache künstlich fortzupflanzen, sondern auch von der dem klassisch Gebildeten zunächst fast unverständlichen Volkssprache.
Bei einiger Kenntnis der letzteren wird man aber oft überrascht sein,
darin uraltes Sprachgut zu finden,
selbst Formen,
die in der Schriftsprache längst verschollen,
im Munde des Volkes aber lebendig geblieben sind.
Der oft und nicht immer gerecht geschilderte Charakter der Griechen ist, wie bei den meisten Völkern, aus guten und minder erfreulichen Eigenschaften gemischt.
Vielfach finden wir darin Züge, die an die klassische, ja homerische Zeit erinnern, wie ja auch die Schilderung Cäsars von den Galliern und des Tacitus von den Germanen wesentliche Charakterzüge der heutigen Franzosen und Deutschen trifft.
Zu den besten Eigenschaften möchte ich
die geistige Regsamkeit und den
großen Bildungsdrang des Volkes sowie seine
unbegrenzte Vaterlandsliebe rechnen,
die sich in einer großartigen Opferwilligkeit
der im Ausland reich gewordenen Griechen für das Gemeinwohl äußert.
Das Interesse an öffentlichen Dingen steigert sich aber auch zu einem allen Klassen gemeinsamen Hang zum Politisieren, der stark demokratische Zug des Volkes oft zum Widerstand gegen eine vernünftige staatliche Ordnung, die Geschäftsklugkeit nicht selten zur Unzuverlässigkeit und Neigung zum Über vorteilen, der Ehrgeiz zur persönlichen Eitelkeit. Gegenüber dem Zustand wirtschaftlicher und moralischer Verwilderung zur Zeit des Freiheitskampfes hat der Charakter des Volkes sich seither auch in ethischer Beziehung zweifellos gehoben.
Die Slawen.
Mit dem Einbruch slawischer Stämme in die Balkanhalbinsel seit dem VI. Jahrhundert erhält das Völkerbild ein ganz neues Gepräge.
Die Geschichte ihrer Einwanderung kann nur aus sehr zerstreuten Quellen notdürftig hergestellt werden.
Hienach ergibt sich, daß unter Kaiser Justinus I. (518—527) die ersten Scharen südlich der Donau auftauchten und um 550 bereits bis Adrianopel, Saloniki und Durazzo gelangten.
Die Geschichte ihrer Einwanderung kann nur aus sehr zerstreuten Quellen notdürftig hergestellt werden.
Hienach ergibt sich, daß unter Kaiser Justinus I. (518—527) die ersten Scharen südlich der Donau auftauchten und um 550 bereits bis Adrianopel, Saloniki und Durazzo gelangten.
Ein Jahrhundert später, etwa um 650, ist ihre Niederlassung auf der Halbinsel im wesentlichen beendet.
In Griechenland drangen sie bis zur Südspitze des Peloponnes, vereinzelt sogar bis auf die Inseln vor, wurden aber dort vom griechischen Volkstum allmählich ganz aufgesogen. Am längsten hielt sich die slawische Sprache am Tajgetos- Gebirge, wo sie erst seit dem XV. Jahrhundert unter türkischer Herrschaft völlig verschwand.
In Griechenland drangen sie bis zur Südspitze des Peloponnes, vereinzelt sogar bis auf die Inseln vor, wurden aber dort vom griechischen Volkstum allmählich ganz aufgesogen. Am längsten hielt sich die slawische Sprache am Tajgetos- Gebirge, wo sie erst seit dem XV. Jahrhundert unter türkischer Herrschaft völlig verschwand.
Im Nordender griechischen Halbinsel blieb jedoch das slawische Volkstum vorherrschend, hat das griechische und romanische auf die Küstenstreifen und Gebirgsinseln zurückgedrängt und auch gegenüber der türkischen Überflutung standgehalten.
Wo die Slawen den Islam angenommen haben und infolge dessen als „Türken“ bezeichnet wurden, wie in Bosnien und Serbien, sind sie doch der Sprache nach Slawen geblieben und müssen ethnographisch diesen zugerechnet werden.
Behauptet haben sich gegen die slawische Überflutung neben den Griechen nur die Albaner und die Rumänen, letztere in kompakter Masse nur nördlich der Donau. Im Osten vermochten sich Türken und Tataren daneben in größeren Massen festzusetzen.
Wo die Slawen den Islam angenommen haben und infolge dessen als „Türken“ bezeichnet wurden, wie in Bosnien und Serbien, sind sie doch der Sprache nach Slawen geblieben und müssen ethnographisch diesen zugerechnet werden.
Behauptet haben sich gegen die slawische Überflutung neben den Griechen nur die Albaner und die Rumänen, letztere in kompakter Masse nur nördlich der Donau. Im Osten vermochten sich Türken und Tataren daneben in größeren Massen festzusetzen.
Die gesamten Slawen der Balkanhalbinsel gehören
einer sprachlich wohl abgegliederten Gruppe der großen slawischen Völkerfamilie an,
welche wir in ihrer Gesamtheit
als Südslawen bezeichnen.
Ursprünglich in zahlreiche Stämme gegliedert, deren Namen zum großen Teil verschollen sind, haben sie erst verhältnismäßig spät für die westliche Abteilung' die ihrer Bedeutung nach unaufgeklärten Namen Kroaten und Serben zur Geltung gebracht.
Beide sind erst seit dem neunten Jahrhundert nachweisbar und finden sich merkwürdigerweise auch weiter im Norden, so die Kroaten, in ihrer eigenen Sprache Hrvati mit tönendem r (daher mag. Horvdt), als Chorvaten im Riesengebirge und in Ostgalizien, wo bei der Wanderung nach Süden ein Teil des Volkes zurückgeblieben sein mag, die Serben noch heute als Sorben (Soraben) in der Lausitz.
Letztere gehören aber sprachlich der nordslawischen Gruppe an, stehen zwischen Polen und Tschechen und können mit ihren südlichen Namensvettern kaum in genetischen Zusammenhang gebracht werden.
einer sprachlich wohl abgegliederten Gruppe der großen slawischen Völkerfamilie an,
welche wir in ihrer Gesamtheit
als Südslawen bezeichnen.
Ursprünglich in zahlreiche Stämme gegliedert, deren Namen zum großen Teil verschollen sind, haben sie erst verhältnismäßig spät für die westliche Abteilung' die ihrer Bedeutung nach unaufgeklärten Namen Kroaten und Serben zur Geltung gebracht.
Beide sind erst seit dem neunten Jahrhundert nachweisbar und finden sich merkwürdigerweise auch weiter im Norden, so die Kroaten, in ihrer eigenen Sprache Hrvati mit tönendem r (daher mag. Horvdt), als Chorvaten im Riesengebirge und in Ostgalizien, wo bei der Wanderung nach Süden ein Teil des Volkes zurückgeblieben sein mag, die Serben noch heute als Sorben (Soraben) in der Lausitz.
Letztere gehören aber sprachlich der nordslawischen Gruppe an, stehen zwischen Polen und Tschechen und können mit ihren südlichen Namensvettern kaum in genetischen Zusammenhang gebracht werden.
Kroaten und Serben sind von einzelnen Stämmen aus erst allmählich zu Volksnamen geworden, hauptsächlich in Verbindung mit dem politischen Begriff der mittelalterlichen Reiche von Kroatien und Serbien.
Daß in ersterem die römische Kirche mit lateinischer, in letzterem die griechische Kirche mit slawischer Liturgie zur Geltung gelangte, hat schließlich zu der heutigen, nur durch Konfession und Schrift bedingten Unterscheidung von Kroaten und Serben für ein sprachlich einheitliches Volk geführt.
Man bezeichnet dasselbe daher jetzt, mit Einschluß der zum Islam übergetretenen Volksangehörigen, als Serbokroaten. In diesem Sinne umfaßt der Name den weitaus größten Teil der Bevölkerung von Serbien (in seinen alten Grenzen), Montenegro, Bosnien, Dalmatien, Kroatien, Slawonien, nebst Teilen von Istrien und Südungarn.
Daß in ersterem die römische Kirche mit lateinischer, in letzterem die griechische Kirche mit slawischer Liturgie zur Geltung gelangte, hat schließlich zu der heutigen, nur durch Konfession und Schrift bedingten Unterscheidung von Kroaten und Serben für ein sprachlich einheitliches Volk geführt.
Man bezeichnet dasselbe daher jetzt, mit Einschluß der zum Islam übergetretenen Volksangehörigen, als Serbokroaten. In diesem Sinne umfaßt der Name den weitaus größten Teil der Bevölkerung von Serbien (in seinen alten Grenzen), Montenegro, Bosnien, Dalmatien, Kroatien, Slawonien, nebst Teilen von Istrien und Südungarn.
Eine von den Serbokroaten wesentlich verschiedene Stellung nahmen die Bulgaren ein.
Ursprünglich ein türkisches (nicht, wie man früher glaubte, finnisches) Volk, das noch vom 9. bis zum 13. Jahrhundert an der Wolga ein mächtiges Reich bildete, haben sie nach gewöhnlicher Annahme im Jahre 679 unter ihrem.
Führer Isperich (Asparuch) die untere Donau überschritten und sich im alten Mösien zwischen den bereits damals dort ansässigen slawischen Stämmen und den Resten der romanisierten Thraker angesiedelt.
Ursprünglich ein türkisches (nicht, wie man früher glaubte, finnisches) Volk, das noch vom 9. bis zum 13. Jahrhundert an der Wolga ein mächtiges Reich bildete, haben sie nach gewöhnlicher Annahme im Jahre 679 unter ihrem.
Führer Isperich (Asparuch) die untere Donau überschritten und sich im alten Mösien zwischen den bereits damals dort ansässigen slawischen Stämmen und den Resten der romanisierten Thraker angesiedelt.
An Zahl gering — man schätzt etwa 30.000 — haben sie, obwohl das herrschende Volk, hauptsächlich unter dem Einfluß
des von Chan Boris 864 eingeführten Christentums die Sprache der umwohnenden Slawen angenommen,
dieselbe aber eigenartig weitergebildet, so daß ihre heutige Sprache, obwohl der südslawischen Gruppe zugehörig, doch in vielen Beziehungen eine Sonderstellung unter den slawischen Sprachen einnimmt.
des von Chan Boris 864 eingeführten Christentums die Sprache der umwohnenden Slawen angenommen,
dieselbe aber eigenartig weitergebildet, so daß ihre heutige Sprache, obwohl der südslawischen Gruppe zugehörig, doch in vielen Beziehungen eine Sonderstellung unter den slawischen Sprachen einnimmt.
Dabei ist die Grenze gegen die Serbokroaten keine scharfe und wird durch eine Übergangszone vermittelt, die von beiden Teilen für ihr Volkstum in Anspruch genommen wird.
Das gilt besonders für das bis 1915 zu Serbien gehörige, seither von den Bulgaren besetzte Grenzgebiet von Nisch und Pirot (s. u. S. 29Sf.).
Das gilt besonders für das bis 1915 zu Serbien gehörige, seither von den Bulgaren besetzte Grenzgebiet von Nisch und Pirot (s. u. S. 29Sf.).
Besonders heftig wogte der Streit um die Zugehörigkeit der Slawen Mazedoniens.
Dieses zu Anfang des Mittelalters gänzlich hellenisierte und deshalb von den Griechen noch heute beanspruchte Land war beim Slaweneinbruch bis zu einer von Kastoria an den Golf von Saloniki ziehenden Linie überflutet worden.
Nur die Halbinsel Chalkidike mit der Stadt Thessalonike, wo aber in türkischer Zeit das spaniolische und türkische Element die Oberhand gewann, und ein Teil des Küstengebietes um Seres und Xanthi blieb griechisch.
Politisch hat der größte Teil von Mazedonien zum alten bulgarischen Reich unter Zar Symeon (890 — 927), später allerdings auch vorübergehend zum großserbischen Reiche Stephan Duschans (1331 —1355) gehört.
Dieses zu Anfang des Mittelalters gänzlich hellenisierte und deshalb von den Griechen noch heute beanspruchte Land war beim Slaweneinbruch bis zu einer von Kastoria an den Golf von Saloniki ziehenden Linie überflutet worden.
Nur die Halbinsel Chalkidike mit der Stadt Thessalonike, wo aber in türkischer Zeit das spaniolische und türkische Element die Oberhand gewann, und ein Teil des Küstengebietes um Seres und Xanthi blieb griechisch.
Politisch hat der größte Teil von Mazedonien zum alten bulgarischen Reich unter Zar Symeon (890 — 927), später allerdings auch vorübergehend zum großserbischen Reiche Stephan Duschans (1331 —1355) gehört.
Das weit im Westen, an der Grenze Albaniens gelegene Achrida (jetzt Ochrida) war Residenz des Westbulgarischen Reiches der Schischmaniden (963 —1018) und Sitz eines bulgarischen Patriarchen.
Heute bezeichnen sich die meisten slawischen Bewohner Mazedoniens selbst als Bulgaren,
was der serbische Forscher Cvijic in einer im übrigen beachtenswerten Untersuchung als ethnographisch belanglos hinzustellen versucht.
was der serbische Forscher Cvijic in einer im übrigen beachtenswerten Untersuchung als ethnographisch belanglos hinzustellen versucht.
Die sprachliche Stellung der mazedonischen Slawen scheint noch weiterer Klärung zu bedürfen; die Grenze der bulgarischen und serbischen Volksmundarten dürfte auch hier schwer zu ziehen sein.
Doch spricht nach den Untersuchungen bulgarischer Forscher das Übergewicht aller Erwägungen für das bulgarische Volkstum, wenn dieses auch wohl nicht die scharf ausgeprägte Eigenart der Donaubulgaren zeigt.
Den bulgarischen Standpunkt bezüglich der mazedonischen Slawen vertritt A. Ichircoff, Etüde ethnographique s. 1. Slaves de Macedoine, Paris 1908 (gegen Cvijid); ders., Ethnogr. Karte des Bulgarentums. Peterm. Mitt. 1915, Taf. 43 u. S. 339 ff., avo auch Verzeichnis der älteren Arbeiten. Cvijic, ebd. 1913, I, Taf. 22 (Text. S. 185ff.) gibt den mazedonischen Slawen immerhin eine selbständige Stellung und zieht sie, außer in den nördlichen Bezirken (Skoplje usw.), nicht zu den Serben.
Während des Druckes geht mir Heft 7 der neuen Zeitschrift „Mitteleuropa“ vom 14. Aug. 1917 zu, wo der Rektor der Universität Sofia, J. Gheorgov, das Bulgarentum der mazedonischen Slawen neuerdings mit überzeugenden Gründen verteidigt.
Während des Druckes geht mir Heft 7 der neuen Zeitschrift „Mitteleuropa“ vom 14. Aug. 1917 zu, wo der Rektor der Universität Sofia, J. Gheorgov, das Bulgarentum der mazedonischen Slawen neuerdings mit überzeugenden Gründen verteidigt.
Die ethnographische Karte von Jovan Cvijić (1918). Völker Tafel: Griechen, Arumani, Serben, Servo-Bulgaren, Bulgaren, Türken , Albaner |
Die ethnographische Karte von Kantschoff (1900). Völker Tafel: Griechen, Valachen, Bulgaren, Türken ,Albaner |
In Donaubulgarien, dem alten Mösien, wo sich die türkischen Bulgaren zuerst niedergelassen und die slawische Sprache angenommen haben, ist jedenfalls der Kern des bulgarischen Volkstums zu suchen, das sich nicht nur sprachlich, sondern auch nach seinem körperlichen Habitus wie nach seiner seelischen Veranlagung deutlich von den westlichen Südslawen unterscheidet.
Die ursprünglich türkische Nationalität der eingewanderten Eroberer mag daran ebenso sehr ihren Anteil haben wie das in der unterworfenen Bevölkerung noch fortlebende thrakische Volkstum. Letzteres ist wohl überwiegend bei den zum Islam übergetretenen Pomaken im Rhodopegebirge.
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