Philipp II, Thessaloniki Makedonien. |
Professor für Alte Geschichte
Und so beginnet mit dem Verlust der
griechischen Freiheit noch unter dieses Volkes Namen
eine Weltszene,
die ihres Gleichen wenige gehabt hat.
eine Weltszene,
die ihres Gleichen wenige gehabt hat.
Herder 1791
Die Bilder und die Textformatierungen
sind unsere Auswahl (Yauna),
und nicht im Text enthalten.
sind unsere Auswahl (Yauna),
und nicht im Text enthalten.
So wie Friedrich der Große nicht ohne
seinen Vater Friedrich Wilhelm I, den Soldatenkönig, zu denken ist, wie
Constantin der Große das Reformwerk seines Vorgängers Diocletian fortgeführt,
Augustus die von seinem Adoptivvater Caesar vorbereitete Monarchie vollendet
hat,
so ist auch Alexander der Große als der Erbe seines Vaters zu Weltruhm aufgestiegen.
In all diesen Fällen hat der Nachfolger materielle oder strukturelle Ressourcen vorgefunden, ohne die er die Leistungen nicht hätte erbringen können, die ihn groß gemacht haben.
Daher stellt sich stets die Frage, ob er selbst oder sein Vorgänger der bedeutendere Staatsmann war, und sie ist immer kontrovers beantwortet worden.
Zugunsten des jeweils Jüngeren spricht zwar, daß ohne ihn der Ältere im Schatten verblieben wäre.
so ist auch Alexander der Große als der Erbe seines Vaters zu Weltruhm aufgestiegen.
In all diesen Fällen hat der Nachfolger materielle oder strukturelle Ressourcen vorgefunden, ohne die er die Leistungen nicht hätte erbringen können, die ihn groß gemacht haben.
Daher stellt sich stets die Frage, ob er selbst oder sein Vorgänger der bedeutendere Staatsmann war, und sie ist immer kontrovers beantwortet worden.
Zugunsten des jeweils Jüngeren spricht zwar, daß ohne ihn der Ältere im Schatten verblieben wäre.
Ohne Friedrich den Großen wäre
Preußen eine Macht von der Größenordnung Bayerns oder Sachsens geblieben.
Ohne
Constantin wäre bereits der diocletianische Staat in Teilreiche zerfallen. Ohne
Augustus wäre der Bürgerkrieg unter den Proconsuln endlos weitergegangen.
Und
ohne Alexander hätte sich nach Philipps Tod 336 der Übergang vom klassischen
Stadtstaat zum hellenistischen Flächenstaat,
zur «modernen Zeit» der
griechischen Geschichte sehr viel langsamer vollzogen.
Wie weit sich dann die
Ausbreitung der griechischen Kultur in den Orient erstreckt hätte, ist schwer
zu sagen — aber gewiß nicht bis Indien.
Gleichwohl hat es schon in der Antike
Stimmen gegeben, die Philipp als den größeren Staatsmann gewürdigt haben. Die
Historiker Theopomp, Pompeius Trogus und vielleicht auch Timagenes haben ihre
Geschichtswerke nach Philipp benannt, nicht nach Alexander.
Cicero gönnt Alexander
den höheren Ruhm, doch überrage ihn sein Vater an menschlicher Größe, an jacilitas und humanitas. Lukian läßt in seinen
<Totengesprächen>
Philipp erklären, er habe in Griechenland echte Männer
besiegt, Alexander in Asien nur verweichlichte Memmen.
Jedenfalls
hat Philipp Makedonien von einem unterentwickelten Land am Rande der
Kulturwelt zur «stärksten Macht in Europa» emporgebracht.
Betrachten wir ihn näher! Doch zuerst ist ein Blick auf die Vorgeschichte
erforderlich.
Die Makedonen, schon bei Herodot
erwähnt, bewohnten ursprünglich nur den Osthang des Bermion im nördlichen
Griechenland.
Ihr Land heißt bei Homer Emathia und war von Illyrern und Thrakern besiedelt, bevor es im
Zuge der dorischen Einwanderung um 1200 v. Chr. von Norden hellenisiert wurde.
Die Makedonen zählten zu den Doriern, ihr Name bedeutet «die
Hochgewachsenen, Schlanken» (makednos).
Sie lebten als Bauern auf Dörfern unter einer feudalen
Herrenschicht. Durch die kulturelle Randlage, die Distanz zum Meere und den
geringen Verkehr mit den Zentren griechischer Zivilisation hatten sie, anders
als die Griechen sonst, keine Städte gebildet, sondern sich bis in die
klassische Zeit hinein etwas Urtümliches bewahrt, das in den Metropolen, zumal
in Athen, als bäurisch, ja barbarisch empfunden wurde.
Die illyrischen Einschläge
in Makedonien haben es den politischen Gegnern, vor allem Demosthenes,
erleichtert, die Makedonen als Barbaren zu verketzern.
Dennoch waren sie nach
Sprache und Religion Griechen.
Das auf dem Lande gesprochene
Makedonisch (Makedonisti) ist ein nordwestgriechischer
Dialekt, der nicht geschrieben wurde.
Alexander rief einmal einen seinen
Waffenträger «auf makedonisch».
Der moderne Streit um den Staatsnamen
Makedonien beruht darauf,
daß Nordgriechenland im 7. Jahrhundert n. Chr.
slawisiert wurde.
Der Ländername wurde beibehalten, aber die griechische
Sprache verschwand.
«Makedonisch» heißt seit dem Mittelalter ein slawisches
Idiom, es ist die Staatssprache in der 1991 gegründeten, überwiegend serbischorthodoxen
Republik um Skopje.
Athen jedoch verweigerte diesem Staat bis 1995 die
Anerkennung, weil es den Namen «Makedonien» für Nordgriechenland beanspruchte.
Die Kontroverse erstreckte sich sogar auf die symbolische Verwendung des
«makedonischen Sterns» aus dem angeblichen Philippsgrab von Vergina (S. 77f.). Er zierte bis 1995 die
makedonische Staatsflagge und mußte dann auf Druck von Athen verschwinden. Im
April 2009 meldete die Presse, auf dem Hauptplatz von Skopje solle ein 17 m hohes Ai < r-Denkmal
erstehen — was in Athen Proteste auslöst. Der Anspru 1 de, Griechen auf den
Namen «Makedonien» verhindert noch immer die Mitgliedschaft des jungen Staates
in der NATO.
Die antiken Makedonenkönige
betrachteten sich selbstverständlich als Griechen.
Sie führten ihren Stamm auf
Herakles und seine Mutter Alkmene aus Argos zurück und nannten
sich «Argeaden».
Die Köpfe von Herakles und seinem Vater Zeus
zierten demgemäß die Münzen der Makedonen.
Die angenommene Herkunft ihrer
Könige aus Argos beruht vermutlich auf einer ideologisch motivierten
Verwechslung mit dem makedonischen Ort Argos Orestikon.
Eine
Abstammung vom «König der Götter und Menschen» beanspruchten die Argeaden nicht
allein, sondern ebenso die Könige von Sparta, aber auch Julius Caesar, der sich
von Venus, der Tochter Juppiters, herleitete. Stammbaumfiktionen finden sich in
Griechenland auch sonst, ebenso bei den Achämeniden — und
nicht nur bei ihnen.
Herodot berichtet nach dem Hörensagen
von frühen Königen der Makedonen und einer allmählichen Ausweitung ihres
Machtbereichs nach Nordwesten. Erst mit der Zeit der Perserkriege
verdichtet sich die Überlieferung.
Alexander I (494 bis 454) begann, Münzen zu
prägen, und führte eine Heeresreform durch.
Neben die Reiterei trat das
Fußvolk, beide als «Gefährten» des Königs bezeichnet, als hetairoi.
Das deutsche Wort «Hetäre» bezeichnet
im Griechischen einfach die Gefährtin.
Alexander I der Philhellene |
Alexander I mußte sich beim Angriff des
Darius 490 den Persern unterwerfen; später zog er griechische Dichter — unter
anderen Pindar — an seinen Hof, wurde Staatsgast (proxenos) der Athener und erhielt den Beinamen
«Philhellene».
Das war eine etwas zweideutige Ehre, denn einen echten
Griechen nennt man nicht «Griechenfreund».
Dennoch waren die makedonischen
Könige seit dem schnellfüßigen Alexander I zu den olympischen Spielen
zugelassen und damit förmlich als Griechen anerkannt.
Das heißt
nicht, daß die Könige, so wie damals, selbst in die Arena stiegen, sondern daß
sie Sportpferde und Rennwagen schicken durften. Als Sieger wurde der Eigentümer
der Pferde ausgerufen, nie der Reiter oder der Wagenlenker.
Auch Philipp,
Alexanders Vater, beteiligte sich mit eigenen Pferden an den Spielen in Olympia.
Der Name «Alexandros» war im 4.
Jahrhundert bei den Spartanern, Thessaliern und Epiroten geläufig.
Er stammt aus der Ilias. Homer nennt den Sohn des Priamos, der angeblich im
Jahre 1191 v. Chr. die schöne Helena aus Sparta entführt, auf der
Liebesinsel Kythera geheiratet und damit den Trojanischen Krieg
heraufbeschworen hat, mal Paris, mal Alexandros.
Offenbar lagen dem Dichter
zwei unterschiedliche Überlieferungen der Sage vor. Die spätere Legende
freilich lautet anders. Danach wird dem König Priamos geweissagt, sein nächster
Sohn werde den Untergang Trojas verursachen. Daraufhin läßt der Vater den
neugeborenen Paris aussetzen. Er wird funfTage lang von einer Bärin genährt,
dann von einem Hirten gefunden und aufgezogen. Als der Knabe dann einmal
Viehräuber abwehrt, erhält er den Namen Alexandros, der «Männerabwehrende».
Die Makedonische Inschrift in Palatiano, Kilkis |
Er
kommt als Alaksandus schon auf hethitischenTontafeln vor.
Ihn trägt ein Fürst von Wilusa, der von der Forschung in Westanatolien
angesiedelt wird und um 1280 v. Chr. einen Vertrag mit dem Hethiterkönig Muwatalli
schloß. «Alaksandus von Wilusa» gemahnt an «Alexandras von
(W)Ilios»; das entspricht mehreren Parallelen zwischen griechischen und
hethitischen Orts- und Götternamen. Den weiblichen Personennamen
«Alexandra» (Arekasadara), dessen männliches Pendant bisher
nicht nachgewiesen ist, gibt es auf mykenischen Linear B-Tafeln, so daß eine
Übernahme aus dem Griechischen ins Hethitische anzunehmen ist.
«Alexander» ist somit der älteste noch heute gebräuchliche Vorname.
Die Verwendung des Namens «Alexandros»
im makedonischen Königshaus unterstreicht mit der Anknüpfung an die homerische
Welt die Zugehörigkeit zum Griechentum.
Entsprechendes läßt sich in der Königsfamilie der Molosser in Epirus beobachten (S. 62). Der mythische Nachweis griechischer Volkszugehörigkeit war - entsprechend dem Auszug aus Ägyptenland bei den Israeliten - die Teilnahme am Trojanischen Krieg, und sie wurde den Makedonen bestritten. Der Schiffskatalog in der Ilias, der die am Zug Agamemnons beteiligten Griechenstädte auflistet, kennt keine Makedonen.
Entsprechendes läßt sich in der Königsfamilie der Molosser in Epirus beobachten (S. 62). Der mythische Nachweis griechischer Volkszugehörigkeit war - entsprechend dem Auszug aus Ägyptenland bei den Israeliten - die Teilnahme am Trojanischen Krieg, und sie wurde den Makedonen bestritten. Der Schiffskatalog in der Ilias, der die am Zug Agamemnons beteiligten Griechenstädte auflistet, kennt keine Makedonen.
Erst in der Zeit des Peloponnesischen
Krieges spielt Makedonien eine Rolle in der großen Politik. Archelaos I (413
bis 399), nach Platon der brutalste aller Makedonen, ermordete
alle ihm bedrohlichen Verwandten und weitete das Königreich ostwärts zum Meere
und südlich nach Thessalien hin aus.
Er hat Wege bauen lassen, eine
Neugliederung des Landes vorgenommen und das Münzwesen auf persischen Fuß vereinheitlicht.
An der Stelle von Edessa, der «Heiligen», oder gleichbedeutend Aigai, der
«Ziegenstadt» im Gebirge, wurde Pella, der «Milcheimer», in der Ebene
Residenz. Pella, später Geburtsstadt von Philipp II und Alexander, wurde von
Philipp vergrößert. Trotz der ungünstigen Lage an dem verlandenden
Golf von Therma blieb Pella die bedeutendste Stadt Makedoniens bis zum
Aufstieg der Hafenstadt Thessalonike im 3. Jahrhundert v. Chr., benannt von
Kassander nach seiner Frau, einer Halbschwester Alexanders. Pella
verfiel und war zur römischen Kaiserzeit nur mehr ein Trümmerhaufen.
Mosaik in Makedonien(Pella). |
Archelaos holte die berühmtesten griechischen Dichter, Maler und Musiker nach Pella.
Sokrates erhielt eine Einladung, die er allerdings ausschlug.
Euripides schrieb dort 408 bis 406 mehrere Dramen, die gewiß auch aufgeführt wurden. Von den über 90 Stücken des Dichters sind allerdings nur 18 auf uns gekommen. Verloren gingen die Tragödien
2.
DER AUFSTIEG ZUR GROSSMACHT
Der Aufstieg Makedoniens ist an den
Namen Philipps II geknüpft.
Uber den ersten König dieses Namens aus der Zeit um 600 ist wenig bekannt, um so mehr über Alexanders Vater, geboren um 382.
Der Name Philippos bedeutet «Pferdefreund» und verweist auf die Reiterei des Adels.
Er ist seit dem frühen 6. Jahrhundert bezeugt und gehört in den Zusammenhang mit Namen wie Philippides, Hippias, Hipparchos, Hippokrates usw.
Uber den ersten König dieses Namens aus der Zeit um 600 ist wenig bekannt, um so mehr über Alexanders Vater, geboren um 382.
Der Name Philippos bedeutet «Pferdefreund» und verweist auf die Reiterei des Adels.
Er ist seit dem frühen 6. Jahrhundert bezeugt und gehört in den Zusammenhang mit Namen wie Philippides, Hippias, Hipparchos, Hippokrates usw.
Philipp war der jüngere Sohn von König Amyntas III und wurde als Knabe
nach Theben vergeiselt, das damals durch die Siege des Epaminondas über Sparta bei Leuktra 371 und Mantineia 362 die militärische Vormacht
in Griechenland innehatte.
Philipp lernte dort die Kriegskunst. König war
damals sein älterer Bruder Perdikkas III.
Im Jahre 359 fiel dieser im Kampf
mit den Illyrern.
Die Makedonen verloren über 4000 Mann, worauf noch andere
Nordstämme das Land heimsuchten. Während die Thraker und die Athener je einen
eigenen Königskandidaten unterstützten, übernahm Philipp als Vormund für seinen
unmündigen Brudersohn Amyntas (IV) das Regiment. Ihn verheiratete
er später mit einer Tochter aus einer seiner Nebenehen. Philipp,
gleichbedeutend als Redner wie Organisator, baute das Heer wieder auf und ließ
sich nach einem ersten großen Sieg 355 von der Heeresversammlung selbst zum
König ausrufen.
Drei für ihn gefährliche Kronprätendenten wurden
ausgeschaltet.
Durch eine ungewöhnlich aktive Politik
verstand es Philipp, die Macht des Königtums zu straffen. Er sammelte die Söhne
des makedonischen Adels als Pagen um sich, bildete sie damit in
seinem Dienst aus und sicherte sich die Loyalität ihrer selbstbewußten Väter,
denn die Pagen waren zugleich Geiseln. Weitreichende Folgen hatten seine
militärischen Reformen, zu denen ihn seine Zeit in Theben inspiriert hatte.
Wehrpflicht bestand vom 15. bis zum 55. Lebensjahr, erfaßte aber nicht alle
Makedonen. Philipp entwickelte die Belagerungstechnik und verwendete in großem
Maße Wurfgeschütze, die in Syrakus erfunden worden waren.
Er übte mit der
Phalanx, der geschlossenen Schlachtreihe, die Bewegung nach Trompetensignalen
und rüstete das Fußvolk mit Sarissen aus, jenen bis über fünf Meter langen
Lanzen aus Esche, die aus drei bis fünf hintereinanderstehenden Reihen von
Lanzenträgern eine einzige Front von Spitzen bildeten.
Beim
Aufmarsch wurden sie senkrecht gestellt, zum Angriff auf Kommando gefällt, und
dann rückte die Phalanx mit lautem Kriegsgeschrei Alala im Sturmschritt auf den Feind los.
Gezielt wurde auf die
Gesichter der Gegner. Diese Taktik erforderte ein regelmäßiges Exerzieren auch
in Friedenszeiten. Die Bewegungen der Rotten wurden mit Signaltrompeten
gesteuert.
Philipp beteiligte sich persönlich an Wehrübungen, selbst
als Ringkämpfer — von welchem anderen Monarchen hören wir das? —, und entließ
einen Offizier aus dem Dienst, der sich in gewärmtem Wasser badete.
Warmduscher braucht er nicht. Staatsmann, Schatzmeister und Feldherr in einer
Person, immer an der Spitze seiner Armee und schnell im Entschluß, war Philipp
den demokratisch regierten und langsam reagierenden Städten überlegen.
Unter seinen Generalen ragen Antipater und Parmenion hervor. Antipater
amtierte später während des Alexanderzuges als Statthalter in Makedonien, und
Parmenion war Alexanders wichtigster Feldherr in den Schlachten gegen Darius.
Alexander übernahm von seinem Vater eine schlagkräftige Armee, ähnlich wie
Friedrich der Große, aber anders als dieser keinen gefüllten Staatsschatz —
das Geld war ausgegeben.
Gleichwohl war Philipp der reichste Grieche seiner Zeit.
Denn er ging daran, das Gold der thrakischen Bergwerke intensiv auszubeuten und auszumünzen. Wichtigste Münz- und Handelsstadt wurde Amphipolis.
Denn er ging daran, das Gold der thrakischen Bergwerke intensiv auszubeuten und auszumünzen. Wichtigste Münz- und Handelsstadt wurde Amphipolis.
Das gold- und silberreiche Pangaion-Gebirge erbrachte jährlich tausend Talente,
fast 30000 Kilo Gold, d.h. über 5 Millionen Drachmen.
Das Gold
nutzte Philipp nicht wie die Perser zu Hortung oder zur Schaustellung, sondern
zur Festigung seiner Macht, zu militärischen und politischen Zwecken.
Philipp nannte sein Geld einen goldenen Esel, der über jede Mauer steige.
Seine Münzen zeigen auf der Vorderseite die Köpfe von Zeus, Herakles oder Apollon, auf der
Rückseite den bloßen Namen des Königs im Genitiv philppou sowie einen Reiter oder ein
Zweigespann, womit er an einen Sieg bei einem Wagenrennen in Olympia erinnern
wollte.
Die Goldmünzen hießen im Volksmund «Philippeioi» nach dem
König, ähnlich wie später der Louisdor oder der Theresientaler.
Philipps Münzen waren auch in Rom gängig und noch im 2. Jahrhundert v. Chr. im
Umlauf. Die Typen wurden von den Ostkelten nachgeprägt und dabei —
zuletzt bis zur Unkenntlichkeit — stilisiert.
Das Bild Philipps
auf dem Medaillon des römerzeitlichen Schatzfunds aus Tarsos ist ein
Idealporträt; das Diadem, das er dort trägt, ist literarisch nicht bezeugt.
Über eine monarchische Repräsentation wissen wir nichts. Man kannte den König.
Nahe den Goldgruben eroberte Philipp
356 die Stadt Krenides und benannte sie um in Philippi, berühmt
durch den Sieg des Augustus über die Caesarmörder 42 v. Chr., «bei Philippi
sehen wir uns wieder».
Auch eine zweite Gründung benannte Philipp
nach sich selbst, Philippopolis in Thrakien, das heutige Plovdiv in Bulgarien.
Ihr Spitzname Poneropolis, «Schurkenstadt», beruht auf der Fama, daß Philipp
dorthin zweitausend falsche Zeugen, betrügerische Ankläger und bestechliche
Anwälte verbannt habe.
Während der großen Kolonisation in der
griechischen Frühzeit, als Hunderte von Städten gegründet wurden, erhielt keine
einzige den Namen nach einem Sterblichen.
Üblich war das im Orient; Philipp
führte es in Europa ein. Alexander machte es in großem Umfang
nach (S. 370f.).
Im Römerreich war es gang und gäbe bis in die Spätantike.
Philipp betrieb eine höchst aktive
Außenpolitik.
Durch eine kalkulierte Folge von Vertragsschlüssen und Vertragsbrüchen und eine Kette von Feldzügen erweiterte er sein Machtgebiet nach allen Himmelsrichtungen, nach Nordosten bis ans Schwarze Meer, nach Süden bis zu den Thermopylen. Zunächst bemühte er sich um einen Zugang zum Meer, zur Ägäis. Makedonien besaß keinen brauchbaren Hafen. Daher annektierte Philipp die griechischen Städte an der makedonischen Küste. Sie verloren ihre außenpolitische Handlungsfreiheit, mußten die Gegner Philipps verbannen, Truppen stellen, Steuern zahlen und den König als höchsten Richter anerkennen. Innenpolitisch blieben sie frei, hatten aber unter Umständen einen königlichen Kommissar (epistates) zu ertragen.
Mit seinen Eroberungen verletzte Philipp die Ansprüche Athens auf die Vormacht in der Ägäis und eröffnete den jahrzehntelangen Streit mit der Stadt. 357 eroberte er Amphipolis «beiderseits» des Strymon, eine Tochterstadt Athens, nebst dem Seehafen Eion; 356 gewann er Pydna sowie Poteidaia auf der Chalkidike.
Durch eine kalkulierte Folge von Vertragsschlüssen und Vertragsbrüchen und eine Kette von Feldzügen erweiterte er sein Machtgebiet nach allen Himmelsrichtungen, nach Nordosten bis ans Schwarze Meer, nach Süden bis zu den Thermopylen. Zunächst bemühte er sich um einen Zugang zum Meer, zur Ägäis. Makedonien besaß keinen brauchbaren Hafen. Daher annektierte Philipp die griechischen Städte an der makedonischen Küste. Sie verloren ihre außenpolitische Handlungsfreiheit, mußten die Gegner Philipps verbannen, Truppen stellen, Steuern zahlen und den König als höchsten Richter anerkennen. Innenpolitisch blieben sie frei, hatten aber unter Umständen einen königlichen Kommissar (epistates) zu ertragen.
Mit seinen Eroberungen verletzte Philipp die Ansprüche Athens auf die Vormacht in der Ägäis und eröffnete den jahrzehntelangen Streit mit der Stadt. 357 eroberte er Amphipolis «beiderseits» des Strymon, eine Tochterstadt Athens, nebst dem Seehafen Eion; 356 gewann er Pydna sowie Poteidaia auf der Chalkidike.
Dort soll er die Nachricht von der Geburt Alexanders erhalten haben.
Verheiratet war Philip, vermutlich seit
357, mit Olympias, einer der bemerkenswertesten Frauen der griechischen
Geschichte.
Olympias war eine Tochter des Molosserkönigs Neoptolemos.
Die Molosser waren ein illyrischer Stamm in Epirus, im heutigen Albanien, der
auch das berühmte, schon bei Homer erwähnte Zeusorakel von Dodona
in Nord- west-Griechenland beherrschte und sich im 6.Jahrhundert v. Chr. sprachlich,
religiös und kulturell hellenisierte.
Der Vater des Neoptolemos, Alketas, war
der erste Molosserkönig mit griechischem Namen. Er hat seine Dynastie von dem
Zeussohn Aiakos abgeleitet und damit zugleich auf dessen Enkel, auf den
homerischen Sagenhelden Achill zurückge- flihrt, der einen Sohn namens
Neoptolemos oder Pyrrhos gehabt haben soll. Achill war später für
Alexander auf mütterlicher Seite das, was Herakles auf väterlicher war: der
mythische Ahnherr und das verpflichtende Vorbild.
Olympias hatte einen Bruder Alexandros
und hieß selbst ursprünglich Myrtale.
Die Molosser des 4.
Jahrhunderts sprachen und schrieben griechisch und huldigten den griechischen
Göttern.
Olympias und Philipp hatten sich kennengelernt, als sie in jungen
Jahren eingeweiht wurden in die Mysterien der Großen Götter auf der Insel
Samothrake. Diese vorgriechischen Gottheiten wurden später mit den
in Theben verehrten Elementargottheiten, den Kabiren, gleichgesetzt, den
Rettern aus Seenot, die Goethe in der klassischen Walpurgisnacht auftreten
läßt:
«Klein an Gestalt, / groß an Gewalt, / der Scheiternden Retter, / uraltverehrte
Götter!»
Die Ausgrabung des Heiligtums begann, als 1863 die
Marmorstatue der Nike von Samothrake gefunden wurde, das Prunkstück im Louvre
zu Paris.
Alexanders Mutter war eine Frau von
dämonischem Temperament, das sich zunächst auf religiösem, später auf
politischem Gebiet äußerte.
Mehr als andere Frauen beteiligte sie sich an den
ekstatischen Geheimkulten für Orpheus und Dionysos, bei denen die
gottbegeisterten Frauen wie Besessene mit Musik durch die Wälder tobten, dabei
Schlangen in Körben mit sich führten und die Männer erschreckten.
Dies liegt wohl der Überlieferung zugrunde, daß Olympias auch in ihrem
ehelichen Schlafzimmer Schlangen hielt, was dann im Alexanderroman ausgeschmückt
und mit dem ägyptischen König und Zauberer Nektanebos verknüpft wurde. Er soll
sich als Zeus Ammon ausgegeben und Olympias in Schlangengestalt geschwängert
haben. Die Königin selbst hat es nicht an Andeutungen fehlen lassen, daß bei
Alexanders Geburt Göttliches im Spiel war (S. 172).
An die Kindheit großer Männer hat die
Antike vielfach Legenden geknüpft, denken wir nur an Kyros bei Herodot, an
Augustus bei Sueton oder an Jesus bei Matthäus und Lukas.
So auch
bei Alexander.
Das beginnt in der griechischen Literatur und setzt sich im
Orient fort.
So lesen wir, daß ausgerechnet am Tage seiner Geburt der
Artemis-Tempel von Ephesos abgebrannt sein soll.
Das ist eine
Gleichzeitigkeitsfabel. Das Ereignis selbst ist unstrittig. Ein
gewisser Herostrat wollte durch die Brandstiftung berühmt werden. Die Ephesier
versuchten vergeblich, es zu unterbinden. Sie setzten auf die Nennung seines
Namens die Todesstrafe, doch der Historiker Theopomp plauderte ihn aus.
Der
Brandstifter hatte Erfolg, und zwar deswegen, so wurde gewitzelt, weil die
Göttin gerade als Geburtshelferin bei Olympias abwesend war.
Johann Hermann Riedesel hat 1768
in einer Betrachtung über die Ruhmsucht einen tieferen
Sinn in der Gleichzeitigkeit gefunden, indem er erklärte, daß dieselbe Manie,
die Herostrat verführte, den Diana-Tempel anzuzünden, auch Alexander bewog, die
ganze Welt in Flammen zu setzen. Dabei sei ein glücklicher Tag in diesem Leben
besser als hundert Jahre Nachruhm.
Dem hätte Alexander vielleicht
zugestimmt, wäre sein Ruhm auf ein Jahrhundert beschränkt geblieben.
Die Freveltat Herostrats war ein
welthistorisches Schlüsselereignis im anthroposophischen Geschichtsbild von
Rudolf Steiner, wie er es in seiner Weihnachts- bzw. Osterbotschaft 1923/24
entwickelt hat. Denn die Gleichzeitigkeit der Katastrophe mit der Geburt
Alexanders entsprach der kosmischen Harmonie. Als mit den Flammen aus dem
Tempeldach das darunter gespeicherte Geistige der ephesischen Mysterien in den
Äther des Weltendomes emporstieg, drangen Funken in die Herzen von Aristoteles
und Alexander. Für letzteren öffnete sich nun die Bahn, die Impulse des
Naturgeistwissens seines Lehrers in den Orient hinüberzufluten.
Das erfolgte
durch die zahlreichen von Alexander dort gegründeten Akademien.
Nach der Begegnung von Aristoteles und Alexander, den Inkarnationen von Enkidu und Gilgamesch, mit Harun al-Raschid und seinem Wesir 869 im Übersinnlichen, gelangten durch die karmische Kette der Eingeweihten die chthonische Intelligenz des Aristotelismus und des Alexandrinismus, im feuerhaltigen Osten spirituell geschwängert, durch die Araber Spaniens über die Hybernischen Mysterien Irlands in den feuchtgestimmten Westen, wo sie, die Herrschaft des Erzengels Gabriel ablösend, unter der 1879 wiederhergestellten Ägide der Sonnenkräfte Michaels im Goetheanum von Dörnach als dem neuen Ephesos aufblühten. Nach der Alexanderzeit waren sie erloschen.
Die vielseitige Verwendbarkeit Alexanders beginnt mit seiner Geburt.
Nach der Begegnung von Aristoteles und Alexander, den Inkarnationen von Enkidu und Gilgamesch, mit Harun al-Raschid und seinem Wesir 869 im Übersinnlichen, gelangten durch die karmische Kette der Eingeweihten die chthonische Intelligenz des Aristotelismus und des Alexandrinismus, im feuerhaltigen Osten spirituell geschwängert, durch die Araber Spaniens über die Hybernischen Mysterien Irlands in den feuchtgestimmten Westen, wo sie, die Herrschaft des Erzengels Gabriel ablösend, unter der 1879 wiederhergestellten Ägide der Sonnenkräfte Michaels im Goetheanum von Dörnach als dem neuen Ephesos aufblühten. Nach der Alexanderzeit waren sie erloschen.
Die vielseitige Verwendbarkeit Alexanders beginnt mit seiner Geburt.
Mosaik, Alexanders Geburt. |
Die von dem Lysipp-Schüler Chares aus Lindos geschaffene,
angeblich 70 Ellen, d. h. 32
Meter hohe Helios-Statue, von der Legende breitbeinig
über die Hafeneinfahrt gestellt, brach bei dem Erdbeben von 224 v. Chr. in
Kniehohe ab, ein Ereignis, das in die Annalen einging, handelte es sich doch
bei der Statue um eines der Sieben Weltwunder. In byzantinischer
Zeit verschob man das Beben auf den Geburtstag Alexanders. In
römischen Tagen erneuert, stürzte der Koloß im Jahre 672 abermals und wurde von
den Sarazenen an einen Juden verkauft, der die Bronze auf angeblich 900 Kamelen
abtransportierte.
Das Geburtsdatum Alexanders ist
umstritten.
Plutarch nennt den 6. Hekatombaion. Der attische Monat
Hekatombaion beginnt Mitte Juli, demgemäß wäre Alexander um den 20. Juli
geboren. Allerdings widerspricht dem die bei Arrian überlieferte Angabe
Aristobuls, daß Alexander bei seinem Tod im Juni 323 (S. 342) vier Monate vor
seinem 33. Geburtstag gestorben sei. Dieser wäre danach im Oktober
356 anzunehmen. Ein Rechenfehler bei Aristobul oder ein Schreibfehler bei Arrian
ist indessen eher anzunehmen als ein Irrtum bei Plutarchs präzisem Datum. Wenn
er berichtet, daß Philipp gleichzeitig seinen Sieg im Pferderennen bei den
Olympischen Spielen erfahren habe, die 356 wahrscheinlich am 28.
August endeten, ist die Gleichzeitigkeit cum grano salis zu nehmen, ebenso wie die angeblich
zugleich eingegangene Siegesmeldung Parmenions aus dem Norden.
Dort hatten
sich die Könige von Thrakien, Päonien und Illyrien untereinander und mit Athen
gegen Philipp verbündet, waren aber von Parmenion geschlagen worden.
Philipp setzte die Annexion der
Küstenstädte fort. 354 eroberte und zerstörte er Methone, 350 traf es Stageira
auf der Chalkidike, die Heimatstadt des Aristoteles. Der
Widerstand Athens hielt Philipp nicht ab, 348 auch Olynth auf der Chalkidike zu
erobern. Die Bürger, die den 356 mit Philipp geschlossenen Vertrag
gebrochen und sich mit ihrer Mutterstadt Athen gegen ihn verbündet hatten,
kamen auf den Sklavenmarkt, doch wurden offenbar viele von den Athenern
aufgekauft und freigelassen. Die Stadt aber wurde zerstört.
Die
amerikanischen Ausgrabungen seit 1928, bei denen Schleuderbleie mit dem Namen
Philipps gefunden wurden, erweisen eine planmäßige Gründung, eine
Schachbrett-Anlage mit gleichgroßen Grundstücken.
Neben der Annexion der Küstenstädte
erweiterte Philipp seine Herrschaft im Binnenland.
Das Verhältnis der
Makedonen zu den nichtgriechischen Nordvölkern war ein Dauerproblem.
Die
Stämme standen unter Königen, lebten überwiegend ländlich und schriftlos, doch
ist aus dem Namengut ersichtlich, daß sie ebenfalls Indogermanen waren.
Das
Thrakische im Nordosten war (wie das Slawische) eine Satemsprache, das
Illyrische im Nordwesten (wie das Lateinische) eine Kentumsprache.
Beide Idiome haben sich bis in die Spätantike erhalten.
Philipp hat sich
indessen sicher auf griechisch mit diesen Völkern verständigt.
Er bezwang die
Päonier im Norden und die Illyrer im Westen und dehnte sein Reich bis an die
Lychnitis, den Ochrida-See, aus. Im Jahre 340 unternahm er
nochmals einen Feldzug gegen die griechischen Städte an den Meerengen.
Während
der Belagerung von Byzanz vertrat der noch nicht sechzehnjährige Alexander den
Vater in Makedonien.
Er führte das Reichssiegel und unterwarf die abgefallenen Maider im Norden des Landes. Hier gründete er eine erste Stadt, die er gemäß dem Vorbild seines Vater nach sich selbst benannte, Alexandropolis.
Er führte das Reichssiegel und unterwarf die abgefallenen Maider im Norden des Landes. Hier gründete er eine erste Stadt, die er gemäß dem Vorbild seines Vater nach sich selbst benannte, Alexandropolis.
Im Sommer 351 hatte Philipp die
Thraker unter ihrem König Kersobleptes besiegt und damit seine Dominanz über
die nördlichen Nachbarn etabliert.
Der Thraker mußte seinen Sohn als Geisel stellen, wurde aber, als er Städte am Hellespont bestürmte, 341 von Philipp abgesetzt. Thrakien östlich des Nestos wurde zur Provinz gemacht und wie eine persische Satrapie einem Strategen unterstellt. Letzte verlustreiche Kämpfe gab es 339 mit den Triballern an der Donau im nordwestlichen Bulgarien.
Der Thraker mußte seinen Sohn als Geisel stellen, wurde aber, als er Städte am Hellespont bestürmte, 341 von Philipp abgesetzt. Thrakien östlich des Nestos wurde zur Provinz gemacht und wie eine persische Satrapie einem Strategen unterstellt. Letzte verlustreiche Kämpfe gab es 339 mit den Triballern an der Donau im nordwestlichen Bulgarien.
Hier erhielt Philipp einen Lanzenstich in den rechten Oberschenkel, so daß er
hinkte.
Es war seine dritte schwere Verwundung — nach dem Verlust des rechten Auges vor Methone 354 und einer Verletzung am rechten Unterschenkel 343 im Kampf gegen den Illyrer Pleuratos.
Es war seine dritte schwere Verwundung — nach dem Verlust des rechten Auges vor Methone 354 und einer Verletzung am rechten Unterschenkel 343 im Kampf gegen den Illyrer Pleuratos.
3.
HEGEMON ÜBER HELLAS
Schon in die frühen fünfziger Jahre
fallen Philipps Vorstöße nach Süden.
Einen Bürgerzwist in Thessalien nutzte er,
sich 352 dort als Protektor zu empfehlen.
Er behandelte die Thessalier gut, so
daß diese ihm wie später seinem Sohn wertvolle Reiterverbände stellten.
Als Archon — früher
Tagos (Herzog) — des Landes verband
Philipp dieses in Personalunion mit Makedonien. Willkommene Gelegenheit
zum Ausgreifen nach Mittelgriechenland bot ihm sodann der Heilige Krieg zum
Schutze Delphis.
Im dortigen Apollonheiligtum, wo die Priesterin Pythia ihre
weitberühmten untrüglichen Orakel verkündete, hatten sich im Laufe der Jahrhunderte
enorme Schätze angesammelt. Zwar gab es keine Gebühren für einen Orakelspruch,
doch niemand erbat sich einen solchen, ohne dem Gott eine Gabe mitzubringen.
Wir kennen eine vergleichbare religiöse Mentalität aus den mittelalterlichen
Stiftungen für die Klöster und Kirchen, wo man die Hilfe der Heiligen nicht
nur mit Gebeten, sondern auch mit Stiftungen und Geschenken erwerben oder
vergelten wollte.
Der Reichtum der Kultstätten aber hat
immer Begehrlichkeit bei den Umwohnern geweckt, zumal Heiligtümer üblicherweise
unbefestigt waren, da sie unter Gottesschutz standen. So auch Delphi. Im Jahre
356 erzwangen die angrenzenden Phoker unter ihrem unbeschränkten Oberbefehlshaber,
ihrem strategos
autokratör
Philomelos eine «Anleihe» bei der Pythia, womit eine Söldnerarmee angeworben
wurde, weil die Nachbarstädte unter Führung der Thebaner nicht hinnahmen, daß
die Phoker tempeleigenes Land bebaut hatten.
Zur Finanzierung des
Heiligen Krieges wurde eine landesweite Sammlung veranstaltet, deren Ergebnisse
teilweise inschriftlich überliefert sind. Nach Anfangserfolgen
unterlag Philomelos 354, ihm folgte sein Bruder Onomarchos. Dieser
prägte in großem Umfang mit delphischem Gold Münzen.
Damals kam so
viel Gold und Silber auf den Markt, daß bei reichen Leuten in Griechenland
anstelle von Tongefäßen Tafelgeschirr aus Edelmetall üblich wurde.
Die vor allem in Attika gepflegte großartige Vasenmalerei verschwand.
Unter den Preziosen des delphischen
Tempelschatzes befand sich auch das berühmt-berüchtigte Halsband der Eriphyle,
das allen Trägerinnen Unheil bringen sollte.
Es war gemäß dem Mythos schon
beim Zug der Sieben gegen Theben Anlaß eines Verrats und führte danach mehrere
Besitzer ins Verderben, bis es nach Delphi gelangte und nun abermals
verhängnisvoll wirkte.
Denn auf den Hilferuf der Thebaner 353 die
blasphemischen Übergriffe der Phoker erschien Philipp mit
Heeresmacht. Nach zwei schweren eigenen Niederlagen besiegte er Onomarchos 352
auf dem Krokusfeld.
Das Hilfskontingent für den Phoker aus Athen kam zu spät —
weder das erste noch das letzte Mal. Angeblich 3000 Gefangene ließ Philipp als
Tempelräuber im Meer ersäufen.
Griechenland zur Zeit der Hegemonie Thebens, 371–362 v. Chr. |
Die Phoker mußten die aus
Delphi geraubten zehntausend Talente in Jahresraten zurückzahlen.
Philipp erhielt die beiden Stimmen der Phoker in der delphischen Amphiktionie
erblich zu eigen.
Als Amphiktionien bezeichneten die Griechen
Kultgemeinschaften der Umwohner eines zentralen Heiligtums, nicht nur in
Delphi.
Oft waren es zwölf Stämme, deren jeder einen Monat lang den Tempel
versorgte. Es gab einen Amphiktionenrat, der die jeweils anstehenden Probleme
regelte und auch einen Exekutor besaß.
Aufgrund seiner militärischen
Überlegenheit sicherte sich Philipp hier die Führung.
Sein Protektorat über
das angesehenste griechische Orakel war eine Sache von höchstem panhellenischen
Prestige.
Philipp polarisierte die politische
Szene in Hellas.
In fast allen griechischen Städten gab es eine Partei für und
eine gegen ihn.
Die griechische Sprache erhielt für die
Sympathie mit Philipp zwei neue Wörter:
den philippismos und das «Philippisieren» (philippizein);
später gab es entsprechend das alexandrizein und den Alexandristes, den Alexander-Fan.
So
konkurrierten ebenfalls in Athen zwei Richtungen .
Auf der einen
Seite stand eine antimakedonische Partei unter den Rednern Hypereides und
Demosthenes, der noch 355 den Perserkönig zum Feind aller
Griechen erklärt und in der gemeinsamen Front gegen ihn die Gewähr für den
Frieden in Hellas gesehen hatte, ihn nunmehr aber als Bundesgenossen gegen die
Makedonen betrachtete und seit 351 eine «Philippika» nach der anderen gegen sie
hielt.
Demosthenes führte den philippismos der Makedonenfreunde auf Bestechung
zurück. Allerdings erhielten auch die Perserfreunde Geld aus Susa. Der Redner
selbst soll von Darius 3000 Goldstücke genommen haben.
Der griechisch-nationalen Opposition
gegenüber stand eine makedonenfreundliche Gruppe von Begüterten, die Philipp
als Führer einer panhellenischen Bewegung gegen Persien anerkannte.
Das Wort
führten bei ihr die Redner Aischines und Isokrates.
Letzterer rief 346 als Neunzigjähriger
Philipp öffentlich dazu auf,
die Griechen zu vereinen
und die jonischen Städte
Kleinasiens vom Perseijoch zu befreien.
Wenn Philipp seinem Ahnherrn Herakles
folgend Persien besiegt habe, bleibe ihm nur übrig, ein Gott zu werden.
Auch die platonische Akademie sympathisierte mit Philipp.
Platons Neffe und
Nachfolger Speusippos verfaßte ein offenes Sendschreiben an Philipp, in dem er
dessen Eroberungen, insbesondere Olynth, als Zugriff auf das Erbgut seines
Ahnherrn Herakles rechtfertigte.
Ähnlich wurde im Fall von Amphipolis in der
zeitgenössischen Publizistik mit Mythen argumentiert, die ja als verbürgte Geschichte allgemein anerkannt waren und in der Rhetorik der
Zeit eine große Rolle spielen.
Philipp bemühte sich um ein gutes
Verhältnis zu Athen, doch ohne großen Erfolg.
Sein Ziel war die
Vormacht in Griechenland, die hegemonia tes Hellados, und das war mit dem wohlbegründeten Stolz der Stadt unvereinbar.
Als Philipp 340 Perinth belagerte, das von ihm zu den Athenern übergegangen
war, beschlossen diese den Krieg.
Es gelang Demosthenes, die Thebaner auf
seine Seite zu ziehen, indem er sie mit der Aussicht auf Wiederherstellung
ihrer Hegemonie lockte. Philipp eroberte als Beauftragter einer Bundesexekution
Elateia, das den Zugang zu Böotien beherrschte, daraufhin machten
Athen,Theben und die verbündeten Peloponnesier mobil.
Bei
Chaironeia in Böotien siegte Philipp am 2. August 338 mit 30000
Fußkämpfern und 2000 Reitern unter Anwendung der schiefen Schlachtordnung.
Sie
hatte zuerst Philipps Lehrer, der Thebaner Epaminondas, in der «berühmtesten
Schlacht von Griechen gegen Griechen» 371 bei Leuktra gegen Sparta eingesetzt
und sie verschaffte später, 1757, Friedrich dem Großen seinen Sieg über die
Österreicher bei Leuthen. Im Gegensatz zur Sitte, den Kampf
frontal oder auf dem rechten Flügel zu eröffnen, hatte Epaminondas die Hauptmacht
auf seinem linken Flügel konzentriert, wo der Feind sie nicht erwartete.
So
auch in Chaironeia.
Während Philipp auf dem rechten Flügel überraschend in der
Defensive verblieb und dadurch die ihm gegenüberstehenden rund 10 000 Athener
unter Lysikles aus ihrer Verteidigungsstellung herauslockte, brach Alexander
auf dem linken Flügel in die Heilige Schar der Thebaner ein, in die 300 Mann
starke Kerntruppe der Böoter, und nahm dann nach rechts gewendet die Athener in
die Zange.
Damit war die Schlacht entschieden.
Tausend Athener
fielen, siebentausend flohen, zweitausend gerieten in Gefangenschaft.
Philipp
gab sie ohne Lösegeld frei. Alexander, von Antipater begleitet, brachte sie zum
Abschluß eines Friedensvertrags nach Athen und betrat damals zum ersten und
einzigen Mal die eindrucksvolle Stadt, das Herz der hellenischen Welt.
Beide Makedonen wurden, so wie selbst Philipp, Ehrenbürger Athens.
Die gefallenen Athener ließ Philipp verbrennen, ihre Asche schickte er
gleichfalls nach Athen; das Grab an der Straße zur Akademie wurde den Touristen
noch in der römischen Kaiserzeit gezeigt. Den unterlegenen
Feldherrn Lysikles verurteilte die Volksversammlung zum Tode; das bereits
beschlossene Freiheitsversprechen für kriegsfreiwillige Sklaven wurde
gegenstandslos.
Auf dem Schlachtfeld errichtete
Philipp ein Tropaion, obgleich das bei den Makedonen sonst nicht üblich war.
Alexander hinterließ später keine Siegesdenkmäler, wohl aber Wendemarken an den
Orten, wo er umkehrte (S. 228,271). Für Philipps Gedenkstein dichtete ein Römer
ein Epigramm, das seinen Sieg mit Marathon und Salamis vergleicht und
Demosthenes höhnt. Die gefallenen Makedonen wurden verbrannt und
fanden unter einem Hügel in einem Massengrab (polyandrion) ihre letzte Ruhestätte, bis es 1879
von den griechischen Archäologen freigelegt wurde. Münzen, datierbare Keramik
und Lanzenspitzen von Sarissen erlauben die Zuweisung. Noch zu
Plutarchs Zeit zeigte man eine Alexander-Eiche, unter der das Zelt des Prinzen
gestanden haben soll. Ein Schlachtenbaum wird uns in Chorasan und
auf dem Alexandermosaik wieder begegnen (S. 194ff).
Gegenüber den Thebanern war Philipp
weniger generös als gegenüber den Athenern.
Für die Gefangenen verlangte er
Lösegeld, ja er verkaufte sogar die Toten, damit sie bestattet werden konnten.
Die Thebaner errichteten ihnen ein monumentales Grabmal in Form eines
sitzenden
Löwen ohne Inschrift, 5,50 Meter hoch.
Wollten
sie Philipp schonen oder vertrauten sie auf den Tatenruhm der Toten? Pausanias
meinte in seinem Reiseführer, sie hätten darauf verzichtet, weil die Gottheit
ihre Tapferkeit nicht gewürdigt hätte.
Wäre das Monument noch unter Philipp
entstanden, bewiese es die Großmut des Königs - es sei denn, die Thebaner
hätten abermals gezahlt. Vermutlich wurde das Denkmal aber erst errichtet, als
Kassander 316 das von Alexander zerstörte Theben wieder aufbaute.
Dabei wurde das Tropaion Philipps beseitigt, denn Pausanias fand es nicht mehr
vor; er glaubte, es hätte nie existiert.
Das Löwendenkmal haben die Griechen im
frühen 19. Jahrhundert gesprengt, weil sie im Kampf gegen die Türken die Bleiklammern
für Gewehrkugeln benötigten.
Die zwischen Disteln auf «Chäroneas Heide»
verstreuten Brocken besang Emanuel Geibel, der 1838 als Hauslehrer nach Athen
kam.
Der Dichter beklagte die von der makedonischen «Barbarenhand»
zertrümmerte Freiheit aus derselben klassischen Sicht, in der sein Freund Ernst Curtius, der
Historiker und Archäologe, den Fall betrachtete. 1902 wurde das
Monument wieder aus den herumliegenden Fragmenten zusammengesetzt. Dabei
entdeckten die Archäologen im Umkreis einen Grabbezirk mit 254 in Reihen angeordneten
Skeletten ohne Waffen, offenbar die Toten der Heiligen Schar.
Als Denkmal des Siegers läßt sich das
Philippeion in Olympia deuten.
Der König errichtete dort als Dankgeschenk für
den olympischen Zeus im heiligen Bezirk, in der Altis, einen Rundbau mit 18
jonischen Säulen, in den er durch den Bildhauer Leochares aus Athen Standbilder
von sich, seinen Eltern, von Olympias und Alexander stellen ließ. Die
Materialien waren Gold und Elfenbein, wie es zuvor den von Phidias geschaffenen
Götterbildern Vorbehalten war, nämlich der Athena Parthenos in
Athen und dem Zeus in Olympia, sozusagen nebenan. Da es keinen Altar vor dem
Eingang gab, handelt es sich nicht um einen Tempel. Entdeckt wurde das
Philippeion im Zuge der deutschen Ausgrabungen unter Ernst Curtius seit 1875.
Die Ruinen der Bauten, von Erdbeben zerstört, lagen unter meterhohem
Schwemmsand verborgen. Es war die erste wissenschaftliche Ausgrabung in
Griechenland, eine Pionierleistung der Archäologie.
Die Schlacht von Chaironeia zählt zu
den welthistorischen Wendepunkten.
Sie wurde als Desaster für alle Griechen,
als das Ende der griechischen Freiheit beklagt, doch bestand
diese nicht zuletzt darin, nach Belieben Kriege fuhren zu können.
Damals entschied sich, wie sich später zeigte, daß die Zeit der Poliskultur
vorüber war und die Zukunft den monarchischen Flächenstaaten gehörte.
Nach dem
Sieg Philipps errang in Athen die promakedonische Richtung die Oberhand,
konnte aber nicht verhindern, daß Demosthenes, der bei Chaironeia als schwer-
bewaffneter Hoplit mitgekämpft hatte und fliehen konnte, den ehrenvollen
Auftrag erhielt, die Totenrede auf die Gefallenen zu halten. Die ihm dafür
zugedachte Ehrung durch einen goldenen Kranz — damals politisch heikel — konnte
er allerdings erst acht Jahre später entgegennehmen.
In der Rede zu seinen
Gunsten De
corona, griechisch
Peri tou
stephanou,
zitiert er ein Epigramm auf die für die Freiheit von Hellas Gefallenen, ein
anderes wurde auf einer Inschrift am Olympieion gefunden.
Die Niederlage, so
heißt es, war der Wille des unsträflichen Zeus, aber gegen das Schicksal kommen
die Menschen nicht an.
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