Κυριακή 12 Νοεμβρίου 2017

DIE KRÖNUNG SYMEONS VON BULGARIEN DURCH DEN PATRIARCHEN NIKOLAOS MYSTIKOS

 Kaiser Romanos I. Lekapenos verhandelt
mit Simeon I. von Bulgarien
Georg Ostrogorsky
Byzanz und die Welt der Slawen. 
Beiträge zur Geschichte der byzantinisch-slawischen Beziehungen 
Darmstadt (1974)

Die Bilder und die Textformatierungen 
sind unsere Auswahl (Yauna),

 und nicht im Text enthalten.

Bei den Auseinandersetzungen zwischen Symeon und den byzantinischen Regierungen, die ihm gegenüberstanden, spielte bekanntlich die Frage der Herrschertitulatur eine außerordentlich große Rolle.

Ihretwegen wurden blutige Schlachten geschlagen, Länder und Städte verwüstet, unzählige Menschenleben wurden ihr geopfert. Das kann jedoch nicht wundernehmen, wenn man sich in die Ideenwelt hineinversetzt, in der sich der mittelalterliche Staatsgedanke bewegte.

 Die Herrschertitulatur kennzeichnete die Stellung, die dem Herrscher und somit auch dem von ihm beherrschten Lande in dem vielfältig gegliederten Staatensystem der mittelalterlichen Oikumene zukam.
Simeon I. Emperor of the Bulgarians and Romans (893 – 27 May 927)

Indem Symeon den Kaisertitel für sich in Anspruch nahm, 
suchte er — ebenso wie das später der große serbische Herrscher Stephan Dusan tat — 
die Spitze dieses hierarchisch aufgebauten Staatensystems zu erklimmen,
 Byzanz aus seiner Vorrangstellung im Osten der christlichen Welt zu verdrängen 
und das alte Imperium 
durch ein neues 
slavisch-griechisches Kaiserreich zu ersetzen.


An dieses Ziel war Symeon — und zwar schon im Jahre 913 — sehr nahe herangekommen; er stand ihm viel näher, als bisher in der Wissenschaft angenommen wurde. Es ist bekannt, wie hartnäckig Symeon eben in der zweiten Hälfte seiner Regierung danach verlangte, von Byzanz als Kaiser anerkannt zu werden. Es ist aber nicht bemerkt worden, dass diese Forderung sich nicht allein auf seine wachsende Machtfülle stützte, sondern seit dem Jahre 913 auch eine bestimmte rechtliche Grundlage besass.

Nach der Belagerung Konstantinopels im August des J. 913 trat Symeon in Unterhandlungen mit der byzantinischen Regierung, worauf er persönlich, von seinen Söhnen begleitet, in der byzantinischen Hauptstadt erschien und hier, im Blachernenpalast, von dem jungen Kaiser Konstantin VII. und dem Patriarchen Nikolaos Mystikos, dem damaligen Regenten des byzantinischen Reiches, empfangen wurde. Anlässlich dieser historischen Begegnung vollzog der Patriarch Nikolaos an ihm eine Zeremonie, über die in der Chronik des Symeon Logothetes folgendes berichtet wird:


„Der Patriarch Nikolaos kam zu Symeon heraus. Symeon verbeugte vor ihm ein wenig das Haupt. Nachdem er das Gebet hergesagt hatte, setzte ihm nun der Patriarch, wie erzählt wird, statt des Stemma sein eigenes Epirriptarion (ἐπιρριπτάριον) auf das Haupt.“

Wie ist dieser merkwürdige Text zu verstehen?

Das Verdienst, auf diese Stelle die Aufmerksamkeit der Wissenschaft gelenkt zu haben, gehört V. N. Zlatarski. Dieses Verdienst ist umso grösser, als die meisten Forscher an dem Bericht des Symeon Logothetes einfach Vorbeigehen, ohne ihn einer ernsthaften Interpretation zu unterziehen.

Zlatarski hat als erster erkannt, dass die kurze Notiz des Logotheten auf ein Ereignis von grösser historischer Bedeutung anspielt. Im Rahmen der eingehenden Ausführungen über den Empfang Symeons von 913 hat sich Zlatarski um die Interpretation dieser rätselhaften Notiz bemüht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie die Darstellung einer Cäsarkrönung enthalte und dass folglich Symeon im J. 913 von dem byzantinischen Patriarchen zum Cäsar gekrönt worden sei.

Ich bin nun, indem ich das Rätsel, das uns der Logothet aufgegeben hat, meinerseits zu lösen suchte, zur Überzeugung gelangt, dass der Logothetennotiz ein Ereignis von noch weit grösserer Tragweite zu Grunde liegt.

Es ist zunächst hervorzuheben, dass im mittelalterlichen Byzanz zwischen dem Cäsar- und dem Basileustitel ein gewaltiger Unterschied bestand. Seit dem 7. Jahrhundert trugen die Mitregenten und präsumptiven Thronfolger der byzantinischen Kaiser regelmässig den Basileustitel, während der Cäsar die Bedeutung eines kaiserlichen Titels einbüsste und den zweiten (in späterer Zeit einen noch niedrigeren) Rang einnahm.

Es ist mir nicht wahrscheinlich, dass Symeon sich mit dem Cäsartitel begnügt hätte, den schon der Chan Tervel zu Beginn des 8. Jahrhunderts von Kaiser Justinian II. erhalten hatte und der dem stolzen Programm Symeons, das—wie wir aus dem Briefwechsel des Patriarchen Nikolaos wissen — schon vor dem Feldzug des J. 913 konzipiert war, in keiner Weise gerecht wurde.

Simeon I.
Emperor of the Bulgarians and Romans 
(893 – 27 May 927)

Doch lassen wir alle psychologischen Erwägungen bei Seite und fassen wir unseren Text genauer ins Auge. Auszugehen ist von der Erwähnung des Stemma: laut dem Logotheten hat ja der Patriarch Nikolaos dem Bulgarenherrscher sein Epirriptarion statt des Stemma auferlegt. Über die Bedeutung des Begriffes Stemma kann nicht der geringste Zweifel bestehen.
Es ist das kaiserliche Diadem, das wichtigste Symbol des Kaisertums.

 Pseudo-Kodin sagt ausdrücklich :
 „Das, was heute Stemma heisst, wurde in älterer Zeit Diadem genannt.“

Nur der gekrönte Kaiser trägt das Stemma.

 Selbst der Sohn des Kaisers darf, laut demselben Pseudo-Kodin, das Stemma nicht tragen, solange er nicht offiziell zum Basileus gekrönt worden ist.

Der Despotes der spätbyzantinischen Zeit trägt eine Krone, die ein Mittelding zwischen dem kaiserlichen Stemma und der schlichteren Cäsarenkrone darstellt, und στεμμαχογύριον heisst.

 Die Krone des Cäsars und des Sebastokrators heisst bei Kodin einfach στέφανος.

 ln dem Zeremonienbuch Konstantins VII., das der Epoche Symeons zeitlich näher steht, lautet der terminus technicus für die Cäsarkrone: xö καισαρίκιον; daneben wird die Cäsarkrone bisweilen auch hier στέφανος genannt, dann aber gewöhnlich mit den Zusatz: ήτοι καισαρικών.

Der terminis technicus für die Kaiserkrone ist auch im Zeremonienbuch ganz eindeutig:  στέμμα.

Ich zitiere eine Stelle, die diesen Unterschied mit grösster Deutlichkeit erkennen lässt:
καί εξέρχονται καί άλλάσσουσιν οι δεσπόται τους λώρους καί τά στέμματα, ομοίως καί οί καίσαρες τούς λώρους καί τα κ α ι σ α ρ ί κ ι α.

Es ist somit über jeden Zweifel erhaben, dass das in unserem Logotheten- text erwähnte Stemma die Kaiserkrone bedeutet und folglich kann es sich in diesem Text nur um eine Kaiserkrönung handeln, während die Möglichkeit einer Cäsarkrönung von vornherein ausscheidet.

Was bedeutet nun aber die Mitteilung des Logotheten, dass der Patriarch Nikolaos dem Bulgarenherrscher, wie man erzählte, statt des Stemma sein eigenes Epirriptarion aufgesetzt habe?

Auch hier kann ich Zlatarski nicht beistimmen, wenn er die Notiz des Logotheten als sachgemässe Schilderung einer bestimmten Krönungszeremonie hinnimmt und der Meinung Ausdruck gibt, dass Nikolaos Mystikos diese absonderliche Krönungsart gewählt habe, um die Zeremonie weniger feierlich zu gestalten und weniger bedeutsam erscheinen zu lassen. Es ist vielmehr klar, dass das Epirriptarion nicht als ein Krönungsornat oder ein auch nur irgendwie möglicher Ersatz für eine Krone betrachtet werden konnte und dass mit Hilfe eines solchen Gegenstandes eine rechtsgültige Krönung nicht vollziehbar war — ganz gleich, ob eine Kaiser-, eine Cäsar- oder auch irgendeine andere Krönung. Ein mit dem Epirriptarion wie auch mit jedem anderen Gegenstand ausser der Krone vollzogener Krönungsakt wäre nicht nur unfeierlich, sondern einfach bedeutungslos und nichtig.

Und eben darauf will auch augenscheinlich die Mitteilung des byzantinischen Chronisten heraus. Sie gibt offenbar ein Gerücht wieder, wonach der Patriarch Nikolaos Mystikos den Bulgarenherrscher beim Vollzug des Krönungsaktes hintergangen haben soll. Er habe zwar das Gebet verlesen, das der Patriarch vor der Krönung zu verlesen pflegt (ευχήν ούν ο πατριάρχης ποιήσας), den eigentlichen Krönungakt aber gar nicht vollzogen, vielmehr habe er Symeon in einer geschickten Weise getäuscht, indem er ihm unversehens nicht die erwartete Kaiserkrone, sondern sein eigenes Epirriptarion auferlegte (mit anderen Worten: einen beliebigen Gegenstand, der ihm gerade zur Hand war).

 Nur das kann die Mitteilung bedeuten, dass der Patriarch Symeon sein Epirriptarion statt der Kaiserkrone auferlegt habe; und dies noch mit dem charakteristischen Zusatz:
wie erzählt wird“, einem Zusatz, der den letzten Zweifel an der Richtigkeit der vorgeschlagenen Interpretation aufhebt.

So lässt sich das Rätsel des Logothetenberichtes in einer überraschend einfachen Weise lösen: in Byzanz wurde behauptet, dass die Krönung Symeons nicht richtig vollzogen worden und folglich als ungültig und ungeschehen zu betrachten sei.

Zweifellos hat auch Skylitzes, der die Geschichte auf Grund des Logotheten wiedererzählt, den Bericht seiner Vorlage eben in dieser Weise verstanden. Er sagt: „Indem Symeon das Haupt vor dem Patriarchen verneigte und von ihm das Gebet empfing, setzte dieser, wie erzählt wird, auf das Haupt des Barbaren statt der Krone sein eigenes Epirriptarion auf.“

 Die Mitteilung des Skylitzes deckt sich, wie wir sehen, im wesentlichen mit der des Logotheten, bringt aber eine interessante neue Nuance herein, indem sie Symeon einen Barbaren nennt. Durch diese verächtliche Bezeichnung scheint Skylitzes die Ungebührlickeit der Anmassung Symeons betonen und zugleich auch erklären zu wollen, weshalb es dem Patriarchen gelingen konnte, Symeon zu hintergehen: als Barbar habe dieser nicht bemerkt oder nicht begriffen, dass die Krönungszeremonie an ihm nicht vorschriftsgemäss vollzogen worden sei.

Ausserdem sieht nach Skylitzes die Sache so aus, als habe Symeon gerade in dem entscheidenden Augenblick verneigten Hauptes dagestànden und deshalb vielleicht gar nicht gesehen, was vor sich ging und welches Spiel der handfertige Patriarch mit ihm trieb.

In Wirklichkeit war natürlich Symeon, den die Byzantiner selbst einen Halbgriechen nannten,2) alles andere eher als ein naiver Barbar, der sich in einer so läppischen Weise hätte übers Ohr hauen lassen, den Schleier vom Patriarchenkamelauchion ohne Widerspruch für eine Kaiserkrone hinnehmend.

Die schöne Geschichte von dem einfältigen Barbarenherrscher, der sich den Kaisertitel anmasst, im letzten Augenblick aber auf die List des klugen Patriarchen hereinfällt, ist eine echt byzantinische Erfindung. Und man braucht sich den Kopf nicht lange zu zerbrechen, um zu erkennen, weshalb die Byzantiner zu dieser Erfindung griffen.

Es trat bekanntlich kurz nach dem Empfang Symeons eine Umwälzung an dem byzantinischen Hofe ein. Die Kaiserin-Mutter Zoe kehrte in den Palast zurück und nahm die Herrschaft in ihre Hände, während der Patriarch Nikolaos und alle Mitglieder seiner Regentschaft sich aus dem politischen Leben zurückziehen mussten. Es ist möglich, dass es gerade die allzu entgegenkommende Politik des Patriarchen Symeon gegenüber war, die diese Umwälzung hervorrief.

Kaiserkrönung kennt. Bald wurde die Kaiserkrönung durch den rangälteren Kaiser vollzogen, nachdem dieser die Krone aus der Hand des Patriarchen empfing (vgl. z. B. De Cerim. 194), bald wurde die Kaiserkrone dem Neugekrönten durch den rangälteren Kaiser und den Patriarchen zusammen aufgesetzt (vgl. z. B. Kodinos, 90). Bisweilen hat aber auch der Patriarch — und zwar auch zu Lebzeiten eines rangälteren Kaisers — die Krönung allein vollzogen: so wurde z. B. Basileios II. nicht von seinem Vater Romanos II., sondern in dessen Auftrag von dem Pa-triarchen Polyeuktes gekrönt (Skyutzes-Kedrenos II, p. 388, 18; vgl. Ostrogorsky und Stein, Byzantion VII, 199).
Umso weniger kann es wundernehmen, dass Symeons Krönung nicht von dem minderjährigen Kaiser Konstantin VII. vollzogen wurde, sondern von dem Patriarchen Nikolaos Mystikos, der zu jener Zeit auch der faktische Leiter des byzantinischen Staates war. Was dagegen die Cäsarkrönungen anbetrifft, so ist in der Tat nicht bekannt, dass diese jemals von dem Patriarchen und nicht vom Basileus vollzogen worden seien.

Auf jeden Fall war die wichtigste Folge dieser Ereignisse ein jäher Kurswechsel in den byzantinisch-bulgarischen Beziehungen und die Erneuerung der Feindseligkeiten zwischen Symeon und Byzanz.

Die Regierung der Kaiserin Zoe wies die Abmachungen zurück, die zwischen Symeon und dem Patriarchen Nikolaos bestanden haben; sie verwarf, wie wir aus einem spateren Brief des Patriarchen Nikolaos erfahren, den Plan einer Verheiratung des jungen Kaisers Konstantin VII. mit Symeons Tochter.

Von einer Anerkennung der Kaiserwürde des Bulgarenherrschers konnte nun vollends keine Rede mehr sein. Während aber das Ehebündnis zwischen den beiden Herrscherhäusern nur als ein Plan bestand, der unschwer rückgängig gemacht werden konnte, war die Kaiserkrönung Symeons eine bereits vollendete Tatsache.

Und da kam der byzantinischen Regierung in ihrer Verlegenheit das Gerücht zu Hilfe, dass die Krönung Symeons in Wirklichkeit nur eine Farce gewesen sei, weil der kluge Patriarch — gezwungen, dem Wunsche des übermächtigen Bulgarenherrschers nachzukommen — in seiner Notlage zu einer feinen List gegriffen und den Krönungsakt eigentlich gar nicht vollzogen habe. Zweifellos lag es bei der veränderten Lage im Interesse des Patriarchen Nikolaos selbst, die Sache in dieser Weise darzustellen, um sich von den Vorwürfen reinzuwaschen, mit der Krönung Symeons einen schweren Lapsus begangen und eine allzu grosse Schwäche gezeigt zu haben.

 So werden wir kaum fehlgreifen, wenn wir die Vermutung aufstellen, dass es der Patriarch Nikolaos Mystikos selber war, der das in der Logothetenchronik wie-dergegebene Gerücht in Umlauf gesetzt hatte.

Aber wie dem auch sei und wie die Krönung Symeons auch immer vollzogen wurde — ob mit oder ohne Betrug — bleibt auf jeden Fall die bedeutsame und bisher übersehene Tatsache bestehen, dass im J. 913 die byzantinische Regierung mit dem Patriarchen Nikolaos Mystikos an der Spitze sich gezwungen sah, den Forderungen Symeons nachzukommen und an ihm die Kaiserkrönung zu vollziehen.

Neben dem Patriarchen Nikolaos Mystikos berichten über den Plan dieses Ehebündnisses — mit manchen Irrtümern in den Einzelheiten — die arabische Chronik des Patriarchen von Alexandrien Eutyches (Mione, P. Gr. 111, col. 1151 A) und die Geschichte des arabischen Schriftstellers al-Makin (Hist. Saracenica, ed. Th. Erpenius, lib. II, 248).

 Es ist bezeichnend, dass die byzantinischen Chronisten kein einziges Wort darüber enthalten. Dass der Plan einer Verheiratung des jungen Kaisers Konstantins VII. mit Symeons Tochter (da Konstantin VII. keine Schwestern hatte, kam nur ein solches Ehebündnis in Frage) nur in der Zeit der Regentschaft des Nikolaos Mystikos entstehen konnte, hat schon M. Drinov, Julnyje slavjane i Vizantija v X vèkè, Soiinenija I, Sofia, 1909, 383 ff. richtig gesehen. Vgl. auch Rjnciman, a. a. O. 299 ff. und The Emperor Romanus Lecapenus, Cambridge, 1929, 51.

Für diese Tatsache können wir auch eine sehr beachtenswerte indirekte Bestätigung anführen.

Es ist sehr auffallend, dass die slavische Rezension der Logothetenchronik Symeon zweimal als Caren, d. h. als Kaiser bezeichnet, und zwar einmal unmittelbar vor seinem Empfang in Konstantinopel und zum anderen bald nach diesem Ereignis.

Dieser Umstand kann nicht als blosser Zufall betrachtet werden, obschon Symeon an den entsprechenden Stellen jener griechischen Rezension der Logothetenchronik, die wir aus den Abschriften des Fortsetzers des Georgios Monachos, des Theodosios Melitenos und des Leon Grammatikos kennen, nicht als Kaiser bezeichnet wird.

 Es ist zu beachten, dass die griechische Rezension gerade darin, was die Titulatur der bulgarischen Herrscher anbetrifft, durchaus unzuverlässig ist. Die slavische Rezension zeigt dagegen in dieser Hinsicht die strengste Konsequenz.


Bis zum Jahre 918 nennt sie Symeon, eben so wie die älteren bulgarischen Fürsten, einfach КНЖЗК.

Dann kommen die beiden erwähnten Stellen aus den Jahren 913—914, die vom Caren Symeon sprechen. Weiter erscheint Symeon wieder als knez,
 da ja die byzantinische Regierung seinen Carentitel nicht anerkannt hat. Symeons Nachfolger Peter wird hier vor der Verehelichung mit der Enkelin Romanos I. knez,  nach der Eheschliessung dagegen mehrmals Car und nie mehr knez genannt,
 was deutlich zeigt, mit welcher Umsicht die slavische Rezension die Titulaturen anführt, denn bekanntlich hat Peter im Zusammenhang mit dieser Ehe aus Byzanz den Carentitel erhalten.

Dagegen wird er von den griechischen Chronisten nur dort als Basileus bezeichnet, wo er in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Gattin, der ehemaligen byzantinischen Prinzessin, erwähnt wird;
 in anderen Fällen wird er hier ohne den Basileustitel zitiert oder sogar einfach Archon genannt.

 Infolgedessen fällt es nicht weiter ins Gewicht, dass die griechische Rezension den Basileustitel Symeons nicht erwähnt. Und umgekehrt ist es höchst bedeutsam, dass die slavische Rezension, die bei Anführungen der Titulaturen, wie wir gesehen haben, mit grösster Konsequenz verfährt, ihm gerade in den Jahren 913—914, aber auch nur in dieser Zeit den Carentitel beilegt.

Das scheint zu beweisen, dass die Byzantiner Symeon im Zusammenhang mit der besprochenen Krönung eine Zeitlang tatsächlich als Kaiser bezeichnet haben, später aber mit der Veränderung der politischen Verhältnisse ihm den Carentitel wieder entzogen.

Simeon I,
Madrid Skylitzes
Da Symeon an den besprochenen Stellen der slavischen Rezension des Logotheten ebenso wie später sein Nachfolger Peter Бл-м-арскми цар-к genannt wird, und da Peter, wie wir aus dem Zeremonienbuch wissen, in den offiziellen Formularen der byzantinischen Kanzlei als Βασιλεύς Βουλγαρίας bezeichnet wurde, so können wir mit grösser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass auch Symeon anlässlich seiner Krönung im J. 913 von Byzanz denselben Titel eines Βασιλεύς Βουλγαρίας erhielt.

Bekanntlich reichten Symeons Ansprüche viel weiter :
 er wollte als Kaiser nicht nur des bulgarischen, 
sondern auch des byzantinischen Reiches gelten. 

Aber es ist schwer vorstellbar, dass Nikolaos Mystikos, selbst unter dem Druck der dringendsten Gefahr, die Byzanz damals von bulgarischer Seile drohte, sich dazu bereit gefunden hätte, den Bulgarenherrscher zum Kaiser des byzantinischen Reiches und zum Mitkaiser des jungen Konstantinos Porphyrogennetos zu erheben.

Dass dies nicht der Fall gewesen ist, beweist auch die Tatsache, dass Symeon gleich nach der Krönung „mit zahlreichen Geschenken“ in sein

Land heimkehrte') und dass er damals Byzanz einen dauerhaften Frieden versprach.2) Anscheinend hatte sich Symeon diesmal mit dem Titel eines bulgarischen Kaisers begnügt, sofern gleichzeitig eine Verheiratung seiner Tochter mit dem jungen Kaiser von Byzanz in Aussicht genommen war. Mit dem Kaisertitel geschmückt, hätte er als Schwiegervater des minderjährigen byzantinischen Kaisers sowieso die Herrschaft über das byzantinische Reich in der Hand.

 Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Symeon im J. 913 an seinem Ziel so gut wie angelangt war.

Daher erklärt sich auch die grenzenlose Enttäuschung, die ihn erfasste, als die innenpolitische Entwicklung in Byzanz im letzten Augenblick alle seine stolzen Pläne umstiess.

Es ist interessant, im Lichte der festgestellten Zusammenhänge den berühmten Briefwechsel des Patriarchen Nikolaos mit Symeon auf einige charakteristische Momente hin zu überprüfen.

Es versteht sich von selbst, dass Nikolaos Mystikos in seinen Briefen der Krönung Symeons keine direkte Erwähnung tun konnte. Aber es besteht nichtsdestoweniger sowohl sachlich als auch der ganzen Tonart nach ein grösser Unterschied zwischen den Briefen, die der Patriarch an Symeon vor der Begegnung im Herbst 913 schrieb, und jenen, die er an ihn nach diesem Ereignis richtete.

Als er im Sommer 913 von der Absicht Symeons erfuhr, den Krieg gegen Byzanz zu eröffnen, um die Kaiserkrone an sich zu reis- sen, überhäufte der Patriarch den Bulgarenherrscher mit schweren Vorwürfen, weil dieser ein Waisenkind (nämlich den erst siebenjährigen Kaiser Konstantin) in „tyrannischer Weise“ überfallen wolle und sich die Kaiserwürde anmasse, die ihm und seinem Geschlecht keineswegs zukomme. „Um wieviel ist es doch besser, so schrieb damals der Patriarch, Archon von Gottes Gnaden als ein Tyrann zu sein.

 Nach der Begegnung vom Herbst 913 führt der Patriarch eine ganz andere Sprache. Er empfiehlt dem Bulgarenherrscher nicht mehr, sich mit dem Archontitel zu begnügen, und legt ihm auch selber nie wieder den Archontitel bei. Sehr charakteristisch ist — darauf hat schon Zlatarski hingewiesen — der erste Brief, den Nikolaos Mystikos an Symeon nach 913 gerichtet hat und der bereits in die Regentschaft der Kaiserin Zoe fällt. Von tyrannischen Absichten ist hier nicht mehr die Rede, vielmehr sucht der Patriarch den Bulgarenherrscher zur Einstellung der Feindseligkeiten durch Bitten und Flehen zu bewegen und verbreitet sich dann in einer langen, umschweifenden und recht verworrenen Erörterung über die Ungenügsamkeit des Menschen, der, mit den grossen Ehren, die er von Gott erhalten hat, nicht zufrieden, noch grössere Ehren durch eigene Gewalt zu erhalten sucht.

 Am Schlüsse dieses aus dem J. 914 stammenden Schreibens gemahnt er Symeon an das Versprechen eines festen und dauerhaften Friedens, das dieser im Vorjahre ihm, dem Patriarchen, persönlich gegeben hatte.

Indessen hat derselbe Patriarch nach dem Sturz der Kaiserin Zoe, als er etwas offener reden konnte, wiederholt und ausdrücklich anerkannt, dass die Friedensbedingungen von 913 durch die Regierung der Kaiserin Zoe selbst verletzt worden waren. Ja, er gibt jetzt sogar zu, dass die „früheren byzantinischen Regenten“ durch ihre ungerechten Handlungen Symeon eine schwere Beleidigung zugefügt hätten und er sucht nun Symeons Ärger mit dem Hinweis zu beschwichtigen, dass dessen Widersacher durch den gerechten Ratschluss Gottes bereits gestürzt und bestraft seien.

 Möge doch Symeon, dem unter den Zeitgenossen keiner an Verstand gleich sei, seinen Zorn nicht über das Romäerreich ergehen lassen wegen der Verfehlungen „einiger roher Leute,“ für deren Handlungen weder das Romäische Volk noch der jetzige Kaiser, Romanos Lakapenos, verantwortlich sei.
Konstantin VII. und seiner Mutter Zoë

Auf den Plan des Ehebündnisses zwischen dem purpurgeborenen Kaiser Konstantin VII. und Symeons Tochter kommt der vorsichtige Patriarch erst 920 zu sprechen, als nach der Verheiratung Konstantins VII. mit der Tochter des Romanos Lakapenos ein Zurückgreifen auf diesen Plan ohnehin nicht mehr möglich war.

Wie der Patriarch ausdrücklich hervorhebt, ist dieser Plan von „denjenigen vereitelt worden, die ihn hätten annehmen sollen,“ d. h. wiederum von den Helfern der Kaiserin Zoe.

Scheinbar arglos bietet er nun, zweifellos von Kaiser Romanos dazu ermächtigt, Symeon eine Eheverbindung mit dem Hause der Lakapenoi an.

Christus krönt Konstantin VII
In einem weiteren Brief greift Nikolaos Mystikos die Bemerkung Symeons auf, dass alles Unglück durch die „Eunuchen,“ d. h. durch die Minister der Kaiserin Zoe, verursacht worden sei, und erklärt unumwunden, dass dies ganz klar und allbekannt sei, erinnert aber Symeon erneut daran, dass die Strafe Gottes die Schuldigen bereits getroffen habe.

 Der neue Kaiser, Romanos Lakapenos, wünsche aber nur den Frieden und suche die Fehler seiner Vor- gänger zu beseitigen.

Worin nun, ausser der Ablehnung des Ehebündnisses, diese so oft erwähnten Verfehlungen und ungerechten, für Symeon verletzenden Handlungen der Regierung der Kaiserin Zoe eigentlich bestanden, das will oder darf der Patriarch Nikolaos Mystikos nicht näher präzisieren.

 Wir können aber auf Grund alles dessen, was wir festgestellt haben, mit Sicherheit annehmen, dass die Anspielungen des Patriarchen sich auf die Krönung beziehen, die 913 an Symeon vollzogen, von der Regierung der Kaiserin Zoe aber nicht anerkannt worden ist. Es ist durchaus verständlich, dass Nikolaos Mystikos diesen Akt, für den er die Verantwortung trug, der aber in Byzanz später schief angesehen und sogar in

Abrede gestellt wurde, nicht direkt erwähnen wollte. Aber er verrät sich selbst durch seine zweideutigen und ausweichenden Äusserungen.

Sehr aufschlussreich sind für unser Problem auch die Briefe des Romanos Lakapenos an Symeon. Die Hoffnungen des Patriarchen Nikolaos, dass der Sturz der Kaiserin Zoe Symeon besänftigen werde, erwiesen sich als trügerisch.

Die Freude an diesem Ereignis war ihm durch die Erhebung des Romanos Lakapenos verdorben. Bekanntlich liess Romanos den jungen Kaiser Konstantin VII. seine Tochter heiraten, erhielt selbst die Kaiserkrone und wurde so als Basileus und Schwiegervater des legitimen Kaisers der unbestrittene Beherrscher des byzantinischen Reiches. Mit anderen Worten: Romanos ist genau den Weg gegangen, den Symeon gehen wollte, und er hat das erreicht, was Symeon zu erreichen nicht beschieden war. Grösser denn je war nun die Enttäuschung und Erbitterung Symeons, der auf seinen alten Forderungen bestand und in seinem Unwillen nichts weniger Verlangte als die Absetzung seines glücklichen Rivalen.

Diese Forderungen musste Romanos natürlich zurückweisen. Aber der einsichtige Kaiser stellte sich auch nicht auf den Standpunkt einer radikalen Ablehnung aller Ansprüche des Bulgarenherrschers, auf den sich die Regierung der Kaiserin Zoe versteift hatte.
Wenn er in seinem bekannten Brief vom J. 925 dagegen protestierte, 
Simeon I. Emperor of the Bulgarians and Romans (893 – 27 May 927)
dass Symeon sich
 Βασιλεύς Βουλγάρων και Ρωμαίων 

nennt, so erklärt er in einem weiteren Brief ausdrücklich, dass sein Protest der Bezeichnung „Basileus der Romäer“ galt, 
während er die Bezeichnung 
Basileus der Bulgaren“ Symeon, 
wenn auch ungern, so doch zubilligt.

Offensichtlich hatte sich Byzanz damit abgefunden, dass der Bulgarenherrscher den Kaisertitel trage, sofern die Bedeutung dieses Titels auf die bulgarischen Länder beschränkt blieb.
Dadurch erklärt sich übrigens auch die Tatsache, dass die byzantinische Regierung wenige Jahre später dem Nachfolger Symeons, Peter, mit der Hand der Prinzessin Maria Lakapena den Titel eines Basileus von Bulgarien ohne jeden äusseren Zwang zuerkannt hat, sobald sie sich davon überzeugt hatte, dass dieser Fürst sich in den Grenzen der ihm zugebilligten Gewalt halten werde.
Peter erhielt nur das, was bereits Symeon zugestanden und angeboten worden war.

Symeons stolzes Programm war allerdings nicht durchgedrungen; als unhaltbar erwies sich aber auch die radikal ablehnende Position der Kaiserin Zoe, gesiegt hatte dagegen die Mittellösung des einsichtigen Lakapenos.
 Der Bulgarenherrscher erhielt den Basileustitel, aber mit ausdrücklichen Beschränkung auf
das Bulgarenreich; er durfte auch ein Ehebündnis mit dem byzantinischen Herrscherhaus schliessen, aber nicht mit dem legitimen Herrscherhaus der Purpurgeborenen, sondern mit dem der Lakapenoi, und zwar so, dass die Rollen gleichsam wechselten: nicht der Bulgarenherrscher wurde, wie das Symeon vorgeschwebt hatte, Schwiegervater und Schirmherr des Kaisers von Byzanz, sondern — umgekehrt — der neue byzantinische Kaiser Romanos Lakapenos und dessen Sohn Christophoros fanden in dem Bulgarencaren Peter einen gehorsamen Schwiegersohn.

Obschon diese Lösung von dem Programm Symeons manches in Abstrich brachte, war sie für das junge Bulgarenreich doch sehr ehrenvoll und stellte eine Frucht der Errungenschaften Symeons dar.

Sie kostete Byzanz Konzessionen grundsätzlicher Art, die der purpurgeborene Kaiser Konstantin VII. selbst in einem seiner Werke als zu weitgehend ansieht und die ohne die grossen Erfolge Symeons und vor allem ohne das entscheidende Ereignis von 913 nicht recht verständlich wären.

Symeons Kaiserkrönung war eine Tatsache, die nicht ohne Nachwirkung bleiben konnte, obwohl die Byzantiner diese Tatsache zu vertuschen suchten und dies mit einem solchen Geschick taten, dass selbst die moderne Forschung dessen nicht gewahr wurde.

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